Das Abkommen
Wann ihr klar geworden war, dass sie die Hälfte ihrer Arbeitszeit damit verbrachte, John O’Byrnes Ego zu streicheln, und die andere Hälfte damit, um Spenden zu betteln, die für großspurige, letzten Endes aber sinnlose Programme gegen das Rauchen verpulvert wurden. Das Leben hat leider die seltsame Angewohnheit, unsere guten Absichten zu nehmen und sie uns um die Ohren zu hauen.
»Was wird die Tabakindustrie Ihrer Meinung nach tun, wenn wir eine Kampagne starten, die diese Zahl als Aufhänger nimmt?«, wollte O’Byrne wissen. »Wie heftig wird man uns angreifen?«
Er wollte jetzt von mir hören, dass man energisch gegen ihn vorgehen würde. Genau genommen hoffte er auf einen Gegenschlag, der nicht so stark war, dass er zum Aufgeben gezwungen wurde, aber doch so stark, dass die Welt mitbekam, wie er, John Samuel O’Byrne, dem Löwen einen Dorn in die Pfote rammte.
Und vermutlich würde man ihm seinen Wunsch auch erfüllen. Die Unternehmen würden eine lauwarme Protestnote aufsetzen, aber darauf achten, dass sie keine Formulierung enthielt, die ihn verschreckte. Denn nichts freute die Tabakindustrie mehr, als wenn die bemitleidenswerte Anti-Tabak-Lobby die Zahl der Raucher im Teenageralter übertrieb. Im Grunde genommen wurde dadurch die Botschaft verbreitet: Ach, komm schon, jeder tut’s. Eine überaus wirkungsvolle Botschaft, wenn sie an eine Altersgruppe gerichtet war, für die es noch wichtiger als Nahrung und Luft war, nur ja nicht anders zu sein als ihre Freunde.
»Man wird Sie angreifen«, sagte ich. Es klang selbst für mich ein wenig zu teilnahmslos. »Aber damit werden Sie schon fertig.«
O’Byrne lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Diese Kampagne kommt genau zur rechten Zeit. Dieses Mal werden wir etwas ausrichten können.«
»Ach ja?«
»Jetzt ist es so weit«, sagte er wieder. »Das könnte der Wendepunkt sein.«
Ich hatte keine Ahnung, was er meinte. Und wenn es tatsächlich ein Wendepunkt war, in welche Richtung würde es dann gehen? Das grundlegende Problem mit der Anti-Tabak-Lobby bestand darin, dass sie kein richtiges Ziel hatte. Dazu brauchte man nur ihre durchgeistigten Moralpredigten mit den eindeutig formulierten, quantifizierbaren Zielen der Tabakindustrie zu vergleichen. Ich kann Ihnen mit absoluter Sicherheit bestätigen, dass Terra es darauf angelegt hatte, jeden Mann, jede Frau und jedes Kind auf diesem Planeten von Zigaretten abhängig zu machen.
Was allerdings gar nicht so böse und unheimlich war, wie es sich anhörte. Terra war lediglich eine Firma, die ein Produkt verkaufte. Und ich gehe davon aus, dass McDonald’s es darauf angelegt hatte, jeden Mann, jede Frau und jedes Kind auf diesem Planeten von Big Macs abhängig zu machen, und Jeep darauf, jeden Mann, jede Frau und jedes Kind auf diesem Planeten von Geländewagen abhängig zu machen.
»Was glauben Sie , Trevor?«, fragte Anne, die mir zum ersten Mal an diesem Abend in die Augen sah. »Der Prozess in Montana, der Bericht der Gesundheitsbehörde, die Kampagne. Sind wir tatsächlich an einem Wendepunkt angekommen?«
Ihre Frage kam etwas überraschend für mich. Normalerweise tat ich bei unseren Treffen nichts anderes, als sie anzuschmachten und gelegentlich zu nicken. »Ähm, ja, schon …«
»Und Sie könnten der Schlüssel dazu sein«, warf O’Byrne ein. »Jetzt, wo Sie so eng mit Trainer zusammenarbeiten, haben wir endlich einen Spitzel in der Chefetage …«
Das Treffen war schon seit fünfzehn Minuten vorbei, aber ich war noch nicht nach Hause gefahren. Ich rauchte eine Zigarette unter den weit ausladenden Ästen einer Magnolie, die neben dem mit Unkraut überwucherten Weg zum Haus stand. O’Byrne war schon in seinem auffällig unauffälligen Jetta weggefahren, nachdem er mir die Hand geschüttelt hatte, mit der Energie eines Mannes, der einem eine Spende aus der Tasche ziehen wollte. Anne war noch im Haus und räumte auf.
Erst nach weiteren fünf Minuten kam sie auf die Veranda und jonglierte mit einigen Aktenordnern herum, während sie sich abmühte, die Tür hinter sich zuzuziehen. Mein Herz schlug etwas schneller, als ich meine Zigarette auf dem Boden austrat und aus dem Mondschatten des Baums trat. Sie blieb zwar nicht stehen, als sie mich sah, aber immerhin wurde sie etwas langsamer, während sie weiter in Richtung ihres Wagens ging. Ich glich meine Geschwindigkeit der ihren an, sodass wir die Beifahrertür ihres Autos zur gleichen Zeit erreichten. Ihr war wohl
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