Das Abkommen
nicht klar, dass meine Augen sich schon an die Dunkelheit gewöhnt hatten, sonst hätte sie den ängstlichen Ausdruck auf ihrem Gesicht besser überspielt. Plötzlich kam ich mir vor wie ein Stalker.
»Anne, ich bewundere Ihren Kampfgeist«, sagte ich. Obwohl ich zwanzig Minuten hier draußen herumgestanden hatte, war mir nichts Besseres eingefallen, um ein Gespräch mit ihr anzufangen.
»Na ja, über kurz oder lang wird wohl die gesamte Tabakindustrie unseren Kampfgeist bewundern«, sagte sie, während sie sich darauf konzentrierte, die Tür ihres fast schon schrottreifen Pontiac zu öffnen. »Wann darf ich mit den Rosen aus Ihrer Marketingabteilung rechnen?«
»Anne, ich habe keine Marketingabteilung. Ich …«
Sie drehte sich um und sah mich an. Ich musste mich zwingen, nicht einen Schritt zurückzuweichen. Vor hundert Jahren wäre sie wegen dieser Augen auf dem Scheiterhaufen gelandet.
»Wie fühlt man sich denn so als Schlüssel, Trevor?« Die Enttäuschung war ihrer Stimme deutlich anzuhören.
»Wie meinen Sie das?«
»Sie haben doch gehört, was John gesagt hat. Sie werden eine wichtige Rolle bei der Kampagne spielen. Auf so eine Gelegenheit haben Sie doch nur gewartet.«
Als ich zu Smokeless Youth gekommen war, war mein Verhältnis zu Anne eigentlich ganz gut gewesen. Genau genommen sogar sehr gut. Aber sie hatte nicht lange gebraucht, um meine Mitarbeit bei der Organisation als das zu sehen, was es war – ein billiger Versuch, mich von meinen Sünden reinzuwaschen. Und ich glaube, es machte sie wütend, mit ansehen zu müssen, wie ich ohne jeden Erfolg mit etwas herumdilettierte, das zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden war.
»Wahrscheinlich haben Sie recht …«
Sie warf die Aktenordner in den Wagen und sah mich wieder an. Als sie weitersprach, hatte sich ihr Ton gemäßigt. In weniger als einer Minute hatte ich Angst, Wut und Professionalität bei ihr erlebt. Letzeres war eindeutig das Schlimmste. »Trevor, wenn ich unhöflich gewesen sein sollte, tut mir das leid. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich müde bin.«
Wenigstens nannte sie mich nicht Mr Barnett.
»Schon in Ordnung.«
Sie sah mich mit zusammengekniffenen Augen an, als würde sie etwas suchen. Als sie es nicht fand, setzte sie sich in ihren Wagen und ließ den Motor an.
Eigentlich hatte ich sie zum Essen einladen wollen. Aus irgendeinem Grund hatten die Ereignisse der letzten Zeit dazu geführt, dass ich eine für mich völlig neue Zielstrebigkeit entwickelt hatte. Da ich keine Ahnung hatte, wie es dazu gekommen war, und auch nicht wusste, wie lange dieser für mich ungewohnte Zustand noch andauern würde, hatte ich es für angebracht gehalten, sofort zu handeln.
Doch da ich mein Vorhaben inzwischen wieder aufgegeben hatte, trat ich zurück und sah zu, wie Anne den Gang einlegte. Sie schaltete das Radio an, und während sie davonfuhr, hörte ich Ian Kingwells Reibeisenstimme und die jaulenden Klänge seiner Gitarre.
ZWÖLF
Zum zweiten Mal in dieser Woche lag ich um sechs Uhr morgens im Bett und starrte die Decke an.
Meine Welt, in der es bis vor Kurzem nicht viel gegeben hatte, was ich nicht einfach aus meinen Gedanken verdrängen konnte, wurde immer unbegreiflicher für mich. Was sollte ich von dem verworrenen Plan halten, mit dem Paul Trainer mein junges Leben zerstören wollte? Oder von meinem stetig schlechter werdenden Verhältnis zu meinem Vater? Von meinem beschämenden Verhalten auf der Vorstandssitzung? Meiner nicht vorhandenen Beziehung zu Anne?
Mein Plan, mich von all dem zu befreien, war grandios in die Hose gegangen, und die Schuld daran musste ich ausschließlich bei mir selbst suchen. Wieder einmal hatte ich mich als Dilettant erwiesen und einen ohne Weiteres durchführbaren Plan in den Sand gesetzt. Als würde es in meinem Leben nicht schon genug Ausrutscher dieser Art geben.
Während ich im Bett lag und darauf wartete, dass Nikotin wie jeden Morgen ins Schlafzimmer gestürmt kam, versuchte ich mich dazu zu überreden, heute nicht ins Büro zu gehen und die Zeit zu nutzen, um meinen Lebenslauf zu schreiben. Ich hatte immer noch Angst vor der Welt da draußen, aber zum ersten Mal in meinem Leben war diese Angst nicht der Grund dafür, um aufzustehen, mich anzuziehen und ins Büro zu fahren.
Bis jetzt war in meinem Leben noch nie etwas so richtig schiefgelaufen. Aber so richtig gut gelaufen war auch nichts. Trotz einiger ziemlich deprimierender Momente in den letzten Tagen musste ich zugeben, dass es ganz
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