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 Das Abkommen

Das Abkommen

Titel: Das Abkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyle Mills
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ihm auf der breiten Rückbank der Limousine saß mein Vater. Er sah allerdings schon ein wenig aufgeregt aus. Ob es nun daran lag, dass wir auf dem Weg zu einer Anhörung des Kongresses zum neuen Bericht der Gesundheitsbehörde waren, oder an meiner Anwesenheit, wusste ich nicht. Wenn er mit mir redete, dann in einem freundlichen, bemüht gelassenen Ton, der so falsch klang, dass ich mich dabei ertappte, wie ich ihm auf die Lippen starrte, um herauszufinden, ob ihre Bewegung zum Ton passte.
    Es war ganz anders als bei unserer letzten Begegnung, und auch wieder eine Erinnerung daran, dass alle – selbst mein eigen Fleisch und Blut – ihre Beziehung zu mir ausschließlich von meinem Status in der Firma abhängig machten. Ich weiß, dass das nach dem, was ich in dieser Woche erlebt hatte, schwer zu glauben ist, aber ich hatte mich vermutlich noch nie unwohler gefühlt als jetzt. Ich ertappte mich sogar bei wüsten Fantastereien darüber, wie unser Fahrer die Kontrolle über den Wagen verlor und in den Potomac fuhr, damit ich schwimmenderweise das Weite suchen konnte.
    Als wir unser Ziel fast erreicht hatten, richtete mein Vater seine Aufmerksamkeit auf Trainer. Ich sah zum Fenster hinaus auf das blendende Weiß von Washingtons Denkmälern und versuchte mich daran zu erinnern, wie sie hießen.
    »Wir haben nicht mehr viel Zeit«, hörte ich meinen Vater sagen. »Wir müssen noch einiges durchsprechen.«
    »Das ist doch immer der gleiche Mist«, erwiderte Trainer. Dann sah er ebenfalls zum Fenster hinaus und genoss die Aussicht.
    »Aber das ist doch …«
    Trainer winkte abwehrend, und daraufhin legten wir den Rest des Weges schweigend zurück.
     
    »Das darf doch wohl nicht wahr sein …«
    Trainer hämmerte gegen die Glasscheibe zwischen uns und dem Fahrer, die sofort heruntergelassen wurde. »Hier steigen wir nicht aus. Fahren Sie um das Gebäude herum zum Hintereingang.«
    »Sir, es gibt keinen Hintereingang«, sagte der Mann. »Man hat mir gesagt, dass ich Sie hier absetzen soll. Hinter der Tür dort drüben wartet jemand auf Sie, der Sie in den Sitzungsraum bringen wird.«
    Trainer beugte sich vor und starrte durch die dunkel getönten Scheiben. Auf dem Gehweg liefen etwa fünfzig Leute auf und ab. Einige trugen Schilder, die auf die Verbrechen der Tabakindustrie gegen die Menschlichkeit aufmerksam machten, andere reckten ihre Fäuste in die Höhe und brüllten Parolen. Wie üblich hatten sich die Leute, deren Leben vom milden, entspannenden Geschmack unseres Produkts bereichert wurde, dafür entschieden, ihre Unterstützung nicht persönlich zu zeigen.
    »Diese verdammten Drecksäcke!«, ereiferte sich Trainer. Zweifellos meinte er damit die Kongressabgeordneten, mit denen wir verabredet waren. »Ich wette, dass sie einen Hintereingang gefunden haben!«
    Inzwischen waren die Demonstranten auf die neben ihnen stehende Limousine aufmerksam geworden, doch sie hatten ihren Verband noch nicht aufgelöst, um sie sich näher anzusehen.
    »Wenn wir gehen wollen, sollten wir das jetzt tun«, sagte ich, während ich die Tür aufstieß. »Dann haben wir den Überraschungseffekt auf unserer Seite.«
    Ich wurde in dem Moment erkannt, in dem ich die Limousine verließ, und sofort gab es Buhrufe. Trainer stieg hinter mir aus und hielt sich zwischen mir und meinem Vater, während wir uns durch die Menge drängten. Ich behielt die Leute im Auge, die einen schmalen Korridor für uns bildeten, und suchte nach dem geistig Verwirrten, den der Tod eines Angehörigen oder der Krebs, der seine inneren Organe zerfraß, aus der Bahn geworfen hatte. Stattdessen entdeckte ich Anne.
    Sie hatte kein Schild bei sich, und sie buhte auch nicht. Sie stand einfach nur da und sah ein wenig traurig aus. Als ich sie erreicht hatte, ging ich langsamer, doch dann spürte ich Trainers knochige Hand auf meinem Rücken. »Großer Gott, Trevor! Jetzt beeilen Sie sich doch! Diese Leute wollen Blut sehen!«
     
    Der Raum, in dem die Anhörung stattfand, sah nicht gerade so aus, wie ich ihn mir vorgestellt hatte. Keine romanischen Denkmäler für Abe Lincoln oder Gemälde von George Washington. Keine marmornen Torbögen mit eingravierten lateinischen Sinnsprüchen. Er wirkte eher wie das Fernsehstudio von Fox, in dem ich gewesen war, oder wie eine jener alten Filmdekorationen, bei denen alles nur auf Kanthölzer genagelte Fassade war. Mir schien es recht passend zu sein.
    Es sah aus wie bei einer Hochzeit, als wir durch den schmalen Gang gingen, der die

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