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 Das Abkommen

Das Abkommen

Titel: Das Abkommen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kyle Mills
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einzige nicht von Zuschauern besetzte Fläche in dem Raum war. Trainer, der sich jetzt sicherer fühlte, übernahm die Führung und strebte voller Selbstvertrauen nach vorn. Aller Augen waren auf ihn gerichtet, und ich war froh, dass ich mehr oder weniger unbemerkt blieb.
    An der Stirnseite des Raums stand eine halb besetzte Stuhlreihe, die mit einer roten Kordel abgetrennt war, und ich erkannte die Vorstandsvorsitzenden der anderen Tabakfirmen trotz ihrer ungewöhnlich bleichen und schweißglänzenden Gesichter. Sie schienen Trainers innere Ruhe nicht zu teilen, obwohl ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, warum. Schließlich waren sie es ja gewohnt, als Inkarnation des modernen Bösen dargestellt zu werden, und Trainer war der Einzige von ihnen, der eine Aussage machen musste. Außerdem war der neueste Bericht der Gesundheitsbehörde nichts anderes als das letzte einer ganzen Reihe belangloser Ereignisse in der Geschichte der Tabakindustrie.
    Ich ging davon aus, dass ich mich zu den Vorstandsvorsitzenden setzen sollte, da es nur noch dort freie Plätze gab, und blieb stehen, um über die Kordel zu steigen.
    »Sie bleiben bei mir«, sagte Trainer.
    »Wie bitte?«
    »Sie bleiben bei mir, Trevor. Edwin, setzt du dich hier hin? Ich will nicht mit Anwälten im Schlepptau nach vorn gehen.«
    Die Reaktion meines Vaters lässt sich nur schwer beschreiben. Wie sagt man so schön? Wenn Blicke töten könnten? Aber sein Blick war nicht auf Trainer gerichtet – dieser hatte meinem Vater schon den Rücken zugedreht. Er galt mir. Ich zog mein Bein zurück, das schon über dem Seil schwebte, und gesellte mich zu meinem neuen Chef. Wir setzten uns an einen Tisch, auf dem ein Mikrofon stand.
    Ich versuchte, Trainers leicht gelangweilte und autoritäre Aura nachzumachen, obwohl ich starke Zweifel daran hatte, dass es funktionierte. Aber es war eine gute Übung und lenkte mich davon ab, dass mein Vater versuchte, mir ein Loch in den Hinterkopf zu starren.
    Etwa fünf Minuten vergingen, bevor die Kongressabgeordneten hereinkamen. Der Vorsitzende eröffnete die Anhörung mit ein paar gezwungenen Scherzen und setzte dann sofort an zu einer Minirede über die Weisheit des amerikanischen Volkes und wie organisierter und friedlicher ziviler Ungehorsam zu einem bedeutsamen Wandel führen konnte. Ehrlich gesagt sah ich den Zusammenhang nicht, aber die Worte des Kongressabgeordneten hatten eine sonderbare Wirkung auf Trainer: Seine Haltung straffte sich, seine Haut sah etwas glatter aus, und seine Augen blitzten etwas heller.
    Schließlich war das eindeutig politische Selbstgespräch zu Ende, und der Kongressabgeordnete wandte sich an mich.
    »Könnten Sie sich bitte vorstellen? Sind Sie Mr Trainers Anwalt?«
    Ich tippte auf das Mikrofon. »Ähm, nein, Sir. Ich bin …«
    »Trevor Barnett«, unterbrach mich Trainer, der mir schon wieder meine Haut rettete. »Er ist Vizepräsident bei Terra und mein persönlicher Berater.«
    Nach einem Bericht, den ich kurz überflogen hatte, war Carl Godfrey, der Vorsitzende der Anhörung, ein tief religiöser Mensch, der schon seit einer Ewigkeit verheiratet war und drei wohlgeratene Kinder hatte. Ein für gewöhnlich ehrlicher und gemäßigter Demokrat, der mit Sicherheit von der zurzeit im Land herrschenden negativen Stimmung zu allem, was mit Tabak zu tun hatte, beeinflusst war. Was wohl auch so sein sollte. Durch das Volk, für das Volk.
    »Mr Trainer, ich gehe davon aus, dass Sie den neuen Bericht der Gesundheitsbehörde gelesen haben«, sagte Godfrey, nachdem ich vorgestellt worden war.
    »Ich habe eine ausführliche Zusammenfassung meiner Forschungsabteilung gelesen«, erwiderte Trainer. Den Bericht der Rechtsabteilung und meinen brillanten, wenn auch etwas knapp geratenen historischen Ausblick erwähnte er nicht.
    »Und zu welchem Schluss sind Ihre Forscher gekommen?«, wollte Godfrey wissen. Die übrigen Politiker gaben sich damit zufrieden, nur zuzuhören.
    »Sie hatten eigentlich nicht viel dazu zu sagen und haben nur auf einige Diskrepanzen bei den Statistiken und den Stichproben aufmerksam gemacht. Zum größten Teil haben sie den Bericht einfach nur sehr vereinfacht dargestellt. Dieses Fachchinesisch übersteigt meinen Horizont.«
    Seine Äußerung wurde von so gut wie allen Mitgliedern des Ausschusses mit Misstrauen und offener Verachtung aufgenommen. Sie hielten es für den Beginn einer auf Unwissenheit beruhenden Verteidigung, die hier in Washington zur Perfektion gebracht

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