Das achte Opfer
integre Person. Er hat Sie wohl eine Weile beobachtet und . . . Er wollte sich mit Ihnen treffen, was ihm dann aber doch zu risikoreich erschien . . .«
»Schon gut«, sagte Julia Durant und zündete sich eineGauloise an. »Wir werden auf jeden Fall alles tun, um der Organisation den Kopf abzuschlagen.«
»Das werden Sie nicht schaffen. Das schafft keiner. Die Organisation ist, wie mein Mann sagte, eine Hydra mit vielen, vielen Köpfen, und schlägt man einen ab, wachsen sofort zwei neue nach. Es gibt kein Mittel gegen sie.«
»Aber einige Köpfe sind abgeschlagen worden«, sagte Hellmer. »Und vielleicht ist es ja ein abschreckendes Beispiel für andere, die zu der Hydra gehören.« Er blickte zur Uhr, halb eins. Er sagte: »Frau Anders, eine Frage – können wir Sie jetzt allein lassen, oder sollen wir einen Arzt rufen . . .«
»Nein, nein, Sie brauchen sich um mich keine Sorgen zu machen. Wenn ich Hilfe brauche, rufe ich meine Schwester an, sie wohnt nur ein paar Straßen weiter. Im Augenblick geht es. Auch wenn ich zugeben muß, vor den Fragen der Kinder Angst zu haben. Aber da muß ich wohl durch.«
»Auf Wiedersehen und nochmals, es tut uns leid, was mit Ihrem Mann geschehen ist«, sagte Hellmer.
»Auf Wiedersehen. Und von mir aus kann der Mörder noch ein bißchen weitermachen und noch ein paar Hydraköpfe abschlagen. In meinen Augen ist er auf jeden Fall jetzt schon ein Held.«
Hellmer und die Kommissarin erwiderten nichts darauf. Sie gingen zurück zum Auto, setzten sich hinein.
»Sie ist eine sympathische Frau«, sagte Hellmer. »Verdammt, warum trifft es immer die Guten? Oder besser gesagt, die, die für das Gute eintreten? Warum? Ist das Schlechte bereits so mächtig geworden, daß das Gute keine Chance mehr dagegen hat?«
»Hör auf zu philosophieren«, sagte Julia Durant. »Lies die Bibel, lies, was dort über Sodom und Gomorrha steht. Ich weiß nicht, ob es diese beiden Städte wirklich gab oder ob sie nur symbolisch für die Verkommenheit der Menschenstehen, aber wenn du die Weltgeschichte studierst . . . seit dem Beginn der Zivilisation strebt der Mensch nach Macht, Ansehen und Geld. Meinst du, daran hat sich je etwas geändert oder wird sich je etwas ändern? Wenn du das glaubst, bist du ein hoffnungsloser Phantast.«
Hellmer sah Julia Durant von der Seite kurz an. »Ich habe schon lange aufgehört, an das Gute im Menschen zu glauben, ich glaube aber an mich und an meine Zukunft. Und diese Zukunft gehört mir und Nadine.«
Seine Kollegin grinste. »Das ist doch schon was! Himmel, ich wünschte, ich hätte so ein Glück wie du. Was wirst du machen, den Polizeiberuf an den Nagel hängen?«
»Darüber habe ich mir, ehrlich gesagt, noch nicht den Kopf zerbrochen. Aber möglich ist alles. Wer weiß, was in ein paar Wochen oder Monaten ist?! So, und jetzt habe ich Hunger. Ich habe Appetit auf eine Currywurst mit Pommes. Und du?«
»Hört sich nicht schlecht an. Dann gibt es heute mittag Currywurst mit Pommes.«
Freitag, 13.30 Uhr
»Und, haben Sie’s hinter sich gebracht? Wie hat sie es aufgenommen?« fragte Berger, der sich zurücklehnte und mit dem Sessel wippte.
Hellmer und Durant setzten sich. »Sie ist eine tapfere Frau«, sagte Hellmer und schlug die Beine übereinander.
»Der große Schock wird noch kommen«, sagte Julia Durant. »Es dauert bei vielen eine ganze Weile, bis sie begreifen, was eigentlich geschehen ist. Zum Glück hat sie ihre Kinder, so ist sie wenigstens nicht ganz allein.«
»Und was haben Sie über Anders herausgefunden?«
»Wie schon gesagt, er scheint tot zu sein, und er war mein anonymer Informant. Das hat mir zumindest seine Frau noch einmal bestätigt. Er ist von der Schweiger seit etwa zwei Jahren unter Druck gesetzt worden, in bestimmten Fällen Beweise verschwinden zu lassen. Andernfalls wären sein Leben und das seiner Familie in Gefahr. Für jeden seiner Dienste hat man ihm fünfzigtausend Mark bezahlt. Er war aber kein Mitglied der Organisation.«
»Und woher hatte er dann seine Insiderinformationen, wie zum Beispiel die Sache mit dem Heroin?« fragte Berger.
»Ein Unbekannter hat ihn regelmäßig schriftlich mit Informationen gefüttert . . .«
»Dann kann es sich nur um jemanden handeln, der zur Organisation gehört«, sagte Berger.
»Unser Mörder?«
»An die Möglichkeit habe ich auch schon gedacht«, sagte Julia Durant, »und ich halte sie für immer wahrscheinlicher. Aber wahrscheinlich hat der Killer mit mehr Zivilcourage seitens
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