Das achte Opfer
einige andere Utensilien befanden. Und er muß – zumindest nach außen hin – einen derart integren Eindruck machen, daß ihm keiner Beachtung schenkte, als er aus dem Aufzug stieg und das Büro von Doktor Matthäus betrat. Wer ist dieser Jemand? Wie können wir herausfinden, wer der letzte Besucher von Doktor Matthäus war? Was bewegt diesen mysteriösen Fremden, eine solche Tat zu begehen? Was hat Doktor Matthäus ihm getan, oder besser ausgedrückt, was hat er ihm angetan? Was gibt es so Geheimnisvolles oder gar Grausiges im Leben von Doktor Matthäus, daß jemand dahergeht und ihm mit dessen eigenem Blut die Zahl des Teufels auf die Stirn schreibt? Es muß nach meinem Dafürhalten etwas sehr Geheimnisvolles sein! Aber was? Ich fürchte, das herauszufinden wird uns noch eine Menge Arbeit bescheren.« Sie legte den Ordner auf den Schreibtisch, den Bericht der Spurensicherung hatte sie nicht einmal gelesen. »Seine Frau hat keine Ahnung von seinen Aktivitäten, weder was das berufliche noch das Private angeht. Die beiden sind völlig getrennte Wege gegangen.Aber wer kann etwas wissen? Sein Chauffeur? Chauffeure stehen in dem Ruf, die heimlichen Verbündeten ihrer Herren zu sein . . .«
»Matthäus hatte keinen Chauffeur«, warf Hellmer ein. »Ich habe mich erkundigt, er fuhr immer selbst.«
»Egal. Auch wenn ich gehofft hatte . . . Na ja, was soll’s, fahren wir zu Meininger und danach gleich nach Hause. Es sei denn, es gibt noch etwas außergewöhnlich Wichtiges hier im Büro zu erledigen.« Sie sah Berger fragend an.
»Nein«, sagte Berger kopfschüttelnd. »Hier im Büro gibt es zur Zeit für Sie nichts weiter zu tun. Kollege Kullmer und ich werden versuchen, uns langsam durch die Aktenberge durchzuwühlen.«
»Alles klar«, sagte Julia Durant und nahm ihre Tasche. »Dann sind wir jetzt weg. Schönen Abend noch und bis morgen früh, oder nein, bis morgen mittag. Ich bin morgen früh ja im Gericht. Obwohl mir das jetzt gar nicht in den Kram paßt.«
»Ich weiß, aber wir sind nun mal von der Schweiger aufgefordert worden, dieser Anhörung beizuwohnen . . .« Er rollte mit den Augen. »Und ich weiß, Sie sehen genausowenig eine Chance, diesem Winzlow etwas anzuhängen, wie ich auch. Gehen Sie einfach hin, und lassen Sie die Sache über sich ergehen.«
»Das schlimme ist doch, daß wir so gut wie nichts gegen ihn in der Hand haben. Und sein Anwalt wird es in Null Komma nichts schaffen, sowohl den Staatsanwalt als auch den Richter davon zu überzeugen, daß keine Anklage erhoben wird. Und weil ich weiß, wie das morgen ablaufen wird, habe ich keine Lust hinzugehen. Winzlow ist einfach zu bekannt, er hat Gönner in der ganzen Welt. Aber ich werd’s hinter mich bringen.«
Julia Durant und Hellmer verließen den Raum, schlossendie Tür hinter sich. Ihre Schritte hallten von den Wänden wider, sie gingen schweigend zum Auto. Die Wolkendecke hatte sich wieder geschlossen, erste Tropfen klatschten auf die Erde. Sie brauchten etwas mehr als zwanzig Minuten, bis sie vor dem Haus von Professor Meininger anlangten. Es war fünf Minuten nach fünf.
Mittwoch, 17.05 Uhr
Professor Meininger selbst öffnete ihnen die Tür, ein kleiner, etwa fünfzigjähriger, untersetzter Mann mit Halbglatze und kleinen, stechenden, graublauen Augen. Er trug einen dunkelblauen Anzug mit einem weißen Hemd und hellblau gemusterter Krawatte. Er reichte erst Julia Durant, dann Hellmer die Hand. »Bitte, treten Sie ein.« Er schloß die Tür hinter ihnen, ging dann über den langen, breiten Flur zum Arbeitszimmer, das offensichtlich auch seine Privatpraxis war. Er deutete wortlos auf die beiden vor dem Schreibtisch stehenden Stühle, setzte sich selbst in seinen wuchtigen Ledersessel. Dann faltete er die Hände und legte sie auf die übereinandergeschlagenen Oberschenkel.
»Nun, was führt Sie zu mir?«
»Es geht um Doktor Matthäus. Wie seine Frau uns sagte, war er bei Ihnen auch in Behandlung.«
»Behandlung, wie sich das anhört! Das klingt, als ob er schwer krank gewesen ist, Krebs oder irgend etwas in der Form. Ich war sein Hausarzt, richtig, aber er kam zu mir nur wegen der routinemäßigen Checks. Er war bis auf ein paar Verschleißerscheinungen, die in diesem Alter völlig normal sind, kerngesund. Sein Herz funktionierte einwandfrei, sein Blutdruck war im Normbereich, sein Blutzucker stimmte,ebenso sein Cholesterinspiegel. Der Mann hätte hundert werden können, wenn, ja wenn ihm nicht einer so grundlos das Leben genommen
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