Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das achte Opfer

Das achte Opfer

Titel: Das achte Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
Vom Netzwerk:
beauftragt, mit jedem persönlich zu sprechen und darauf zu dringen, daß alle nur erdenklichen Sicherheitsmaßnahmen, soweit nicht schon erfolgt, eingehalten werden. Außerdem gibt es ein kleines Problem, das ich aber gleich noch mit dir besprechen werde.«
    »Problem?« fragte der Hausherr mit hochgezogenen Augenbrauen. »Was für ein Problem?«
    »Gleich, laß uns erst trinken. Auf dein Wohl, oder besser gesagt auf unser Wohl und das der Organisation, damit auch weiterhin alles so gut funktioniert wie in der Vergangenheit.«
    »Alles klar«, sagte der Hausherr und hielt sein Glas hoch, wobei er nicht bemerkte, wie er von seinem Gegenüber beobachtet wurde. Er setzte das Glas an die Lippen, ließ den Inhalt in seinen Magen fließen. Der Besucher stellte sein unangerührtes Glas wieder auf den Tisch und lehnte sich zurück. Er wartete, sah mit versteinertem Blick, wie die Augen des anderen plötzlich groß wurden, dessen Gesicht sich zu einer Fratze verzog, er mit beiden Armen kräftig gegen den Bauch drückte, zu schreien versuchte, es aber nicht mehr schaffte, sondern zusammen mit dem Gartenstuhl auf die Fliesen der Terrasse stürzte. Er röchelte nur noch, blickte den Besucher angsterfüllt an. Nach etwa einer Minute begann Schaum aus seinem Mund zu treten, sein Körper zuckte in unnatürlichen Bewegungen, fast wie ein Fisch auf dem Trockenen, schließlich fiel nach einer weiterenMinute sein Kopf zur Seite, die Augen weit aufgerissen, das Gesicht von den Qualen schmerzverzerrt.
    Der Besucher streifte die Plastikhandschuhe über, packte den Leblosen unter den Armen und schleifte ihn ins Haus. Er hatte Mühe, den fettleibigen Körper zu entkleiden, er legte die Bermudashorts und das Lacoste-Hemd auf einen Stuhl, nahm das Skalpell aus dem Aktenkoffer, trennte den gewaltigen Penis und die Hoden ab und legte sie wie bei Matthäus und Neuhaus neben das Gesicht des Toten, machte einen langen Schnitt über den Hals, stieß mit dem Stilett zweimal schnell hintereinander in die Augen. Bevor er das Haus wieder verließ, schrieb er mit Blut die Zahl des Teufels auf die Stirn des Toten, legte einen Zettel und eine Lilie auf den Boden und wusch zuletzt den Schaum vom Mund des Toten.
    Er erhob sich, stand kurz vor seinem Werk, schien zufrieden. Draußen nahm er sein Glas, schüttete den tödlichen Inhalt auf den Rasen und wischte es mit einem feuchten Tuch ab. Er beseitigte auch die Fingerabdrücke von der Flasche und ließ sie auf dem Tisch stehen. Mit langsamen, gleichmäßigen Schritten ging er zum Tor, zog es hinter sich zu und begab sich zu seinem Wagen. Eine ältere Frau begegnete ihm, die ihren Hund ausführte, auf der anderen Straßenseite lief engumschlungen ein Liebespaar, das ihm keine Beachtung schenkte. Aus einigen Gärten zog der Geruch von Gegrilltem durch die Luft, dazu Stimmengewirr und Gelächter. Er schaute zur Uhr, 21.12 Uhr. Er lächelte, sein Zeitplan hatte funktioniert. Er stieg in seinen Wagen, ließ den Motor an, legte »La Mer« von Debussy ein, fuhr bis zum Ende der Sackgasse, wendete und trat die Heimfahrt an. Die Sonne hatte sich längst hinter dem Feldberg zur Ruhe gesetzt, ein schmaler Streifen am westlichen Horizont schimmerte rötlich-orange, der Himmelwar jetzt azurblau, nicht mehr lange, bis auch dieses letzte, dunkle Blau sich in ein tiefes Schwarz gewandelt haben würde.
    Er durchquerte das kleine, aber mondäne Taunusstädtchen, von wo aus man einen herrlichen Blick auf das abendliche Frankfurt hatte. Er würde etwa eine halbe Stunde brauchen, bis er zu Hause war. Dort würde er vielleicht noch eine Stunde mit seiner Frau verbringen, ihr vielleicht ein paar Geschichten von Carla und Patrick erzählen, vielleicht auch ein paar Bilder mit ihr ansehen. Und dann würden sie ins Bett gehen und schlafen, und wie in den vergangenen sechs Jahren würden sie auch diesmal keinen körperlichen Kontakt haben. Er haßte dieses Leben, das für ihn keines mehr war. Alles, was er noch wollte, war, seine Aufgabe zu Ende zu bringen.

Freitag, 6.30 Uhr
     
    Julia Durant wurde von den stechenden Sonnenstrahlen geweckt, die durch das geöffnete Fenster direkt in ihre Augen schienen. Sie drehte sich auf die Seite, zog die Bettdecke übers Gesicht. Sie verspürte eine leichte Übelkeit, hatte einen schalen Geschmack im Mund. Nach zehn Minuten setzte sie sich auf, die Knie angezogen, die Arme darum geschlungen. Sie war noch müde, hatte Mühe, zu sich zu kommen, hätte am liebsten noch zwei oder drei Stunden im

Weitere Kostenlose Bücher