Das achte Opfer
geworfen worden, die Teppiche aufgerollt, die Sessel und die Couch aufgeschlitzt. Keinen Raum hatten die Einbrecher ausgelassen.
»Gehen wir in den Keller«, sagte Kullmer. »Mal sehen, wie’s dort aussieht.«
»Scheiße, große, gottverdammte Scheiße! Hier waren sie auch. Aber die Geheimtür haben sie nicht gefunden, was für ein Glück.«
Sie rückten ein Regal zur Seite, tasteten die Wand ab, fanden die Tür. »Wir brauchen ein Brecheisen oder etwas Ähnliches«, bemerkte Hellmer. »So kriegen wir sie nicht auf.«
»Sieh nach, ob oben ein Telefonbuch liegt, und ruf einen Schlosser an. Er soll sich beeilen und das nötige Werkzeug mitbringen«, sagte Julia Durant.
Der Schlosser kam nach einer halben Stunde. Er hatte einen großen Werkzeugkasten dabei und machte sich an die Arbeit. »Das Ding ist verdammt schwer aufzukriegen. Aber ich schaff das schon.«
Nach einer weiteren halben Stunde sagte er: »So, das wär’s. Sie können eintreten.«
Julia Durant öffnete die Tür, tastete nach dem Lichtschalter,knipste das Licht an. Vor ihr lag ein großer, quadratischer Raum. Er war leer. Nur die Abdrücke von Regalen waren noch an den Wänden zu sehen.
»Scheiße«, murmelte Kullmer und steckte sich einen Kaugummi in den Mund.
»Das Chaos oben war nur Ablenkung. Wer hier war, wußte, wonach er zu suchen hatte. Und er hat es gefunden. Trotzdem soll die Spurensicherung antraben und alles auf Fingerabdrücke untersuchen. Sie, Kullmer, bleiben hier und warten, ich gehe mit Kollege Hellmer zu Winzlows Schwester. Sie wohnt gleich um die Ecke. Wir werden nicht lange wegbleiben.«
Die Rolläden des Hauses waren alle heruntergelassen. Frau Mondrian war nicht zu Hause.
Montag, 14.30 Uhr
Während Hellmer, Kullmer und zwei weitere Beamte den Nachmittag damit zubringen sollten, sich um die näheren Mitarbeiter von Matthäus und Neuhaus zu kümmern, fuhr Julia Durant nach einem kurzen Mittagsimbiß allein zu der ihr von Kommissar Schnell gegebenen Adresse im Oeder Weg, um mit den Frauen zu sprechen und sich die Informationen zu holen, die ihr in der Nacht von Freitag auf Samstag so geheimnisvoll angedeutet worden waren.
Das Haus war ein runtergekommener, fünfstöckiger Altbau mit schmutziger, grauer Fassade, ein schmuckloses Gebäude direkt an der Straße. Sie parkte in einer Nebenstraße, stieg aus, warf die ausgerauchte Zigarette auf den Gehweg. Natascha und Tatjana waren in einer kleinen, möblierten Zweizimmerwohnung im vierten Stock untergebracht. Sieging die ausgetretenen, knarrenden Holzstufen nach oben, das Treppenhaus roch alt und modrig, die zum Teil blinden Flurfenster schienen seit Ewigkeiten nicht geputzt worden zu sein. Im Hinterhof spielten ein paar Kinder zwischen Mülltonnen und achtlos hingeworfenem Sperrmüll, aus einer Wohnung drangen laute Musik und das Geschrei eines Babys, aus einer anderen die Stimmen eines sich offensichtlich streitenden Paares. An kaum einer Tür war ein Namensschild angebracht, es schien, als ob fast jeder hier anonym bleiben wollte.
Sie drückte dreimal kurz hintereinander den Klingelknopf. Nichts rührte sich. Sie klingelte noch dreimal, absolute Stille aus der Wohnung. Ein seltsames, mulmiges Gefühl beschlich sie, sie hielt es für fast ausgeschlossen, daß die Frauen nicht zu Hause waren. Sie versuchte es ein drittes Mal. Nichts, keine Stimmen, keine näher kommenden Schritte, kein Radio, das spielte, und kein laufender Fernsehapparat. Kein Laut. Nur der ferne Lärm der spielenden Kinder und die anderen Geräusche aus dem Haus. Sie starrte auf die Tür mit den Milchglasscheiben, die von innen mit Vorhängen bedeckt waren. Sie faßte den Türknauf an, die Tür war verschlossen. Sie drehte sich um, klingelte an der Nachbarwohnung. Nach einer Weile hörte sie schlurfende Schritte näher kommen, die Tür, die durch eine Sicherungskette mit dem Türrahmen verbunden war, wurde einen Spaltweit geöffnet. Ein alter Mann schaute heraus.
»Ja?«
Julia Durant hielt ihm ihren Ausweis hin. »Durant, Kriminalpolizei. Gibt es hier im Haus einen Hausmeister?«
»Warum?«
»Gibt es einen oder nicht?«
»Wohnt im Erdgeschoß. Aber Sie müssen schon verdammtviel Glück haben, wenn Sie ihn antreffen – nüchtern, meine ich. Der kümmert sich um gar nichts.«
»Danke«, sagte die Kommissarin und lief die Treppe hinunter. Im Erdgeschoß gab es nur eine Wohnung, sie klingelte, wartete, klingelte ein weiteres Mal, diesmal länger, schließlich wurde die Tür aufgerissen, ein kleiner,
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