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Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bottero
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geschärft worden waren.
    Sein Wille.
    War der das Kennzeichen dieser berühmten und mysteriösen Familie, der er angehörte? Nathans Eltern, vor allem sein Vater – das wurde ihm soeben klar –, hatten ihn unablässig darauf vorbereitet, seinen Platz einzuneh-men, und ihm darüber hinaus die Fähigkeit vermittelt, jedweder Situation standzuhalten. Wie jener, die er gerade durchlebt hatte. Er unterdrückte die Welle der Trau-64

    er, die ihn überkam. Er hatte überlebt, und er würde weiterleben. Für sie.
    Als er wieder im Auto saß, fuhr er langsam bis Shawinigan, während die aufgehende Sonne die Schneekristalle und den Raureif, der sich über Nacht auf die Dächer gelegt hatte, glitzern ließ. Als ihn die Müdigkeit übermannte, fuhr er den Pontiac auf den Parkplatz eines Supermarkts und rollte sich eher schlecht als recht auf dem Rücksitz zusammen. Er bezweifelte, dass ihn ein Lykanthrop hier aufspüren würde. Jedenfalls war er zu erschöpft, um sich einen anderen Ort zum Ausruhen zu suchen.
    Er schlief auf der Stelle ein.

    ***

    Nathan wachte kurz vor Mittag auf, war ganz benommen und wusste nicht, wo er sich befand. Die Realität brauchte eine Weile, um sich einen Weg durch seine vernebel-ten Gedanken zu bahnen. Als er wieder klar war, stieg er aus dem Wagen, um sich zu strecken. Jetzt kam ihm der Tod seiner Eltern schlagartig zu Bewusstsein.
    Wie betäubt musste er sich gegen die Autotür lehnen und warten, bis sein Herz langsamer schlug und sich sein Atem beruhigte.
    Als er wieder die Kontrolle über seinen Körper und seine Gedanken erlangt hatte, ging er in den Supermarkt. Er kaufte eine kleine Reisetasche, einen Toilettenbeutel und ein paar Kleider zum Wechseln. Dann zog er sich in die Toilettenräume zurück, wusch sich, zog sich um und be-mühte sich um ein passables Aussehen. Die Ereignisse der 65

    Nacht hatten deutliche Spuren in seinem Gesicht hinterlassen, tiefe Furchen und bläuliche Ringe unter den Augen.
    Dann fuhr er weiter nach Montreal, in Richtung Flughafen Trudeau. Er war nicht sicher, ob er einen Platz für einen Flug nach Marseille bekommen würde, aber diese Ungewissheit beunruhigte ihn keineswegs, sondern tröp-felte ihm heilsames Adrenalin ein. Allmählich fühlte er sich besser. Er fuhr von der Autobahn ab und bog in die Straßen von Ville Mont-Royal. Es war ihm unmöglich, Kanada zu verlassen, ohne einen letzten Blick auf ihr Haus geworfen zu haben. Besser gesagt auf das, was davon übrig geblieben war.
    Die Straße war gesperrt, und Polizisten in Uniform versuchten, die Schaulustigen, die zum Schauplatz der Katastrophe drängten, auf Distanz zu halten. Zwei Über-tragungswagen waren vor Ort, und zig Reporter liefen umher, schossen Fotos und interviewten Polizisten und Nachbarn. Ein lautes Durcheinander, wie es das ruhige und wohlhabende Viertel sicher noch nie erlebt hatte.
    Nathan suchte nach einem Parkplatz, als er zwei Männer in schwarzen Anzügen bemerkte, die neben einer Hecke standen und die Menschenmenge absuchten. Er erkannte ihre Hüte und die Sonnenbrillen, die ihnen das Gesicht halb verdeckten. Es handelte sich um die Typen, die ihn am Vorabend verfolgt hatten. Ihre Anwesenheit bedeutete, dass …
    »Die Helluren leben in Mesopia. Ohne Form und ohne Seele nehmen sie durch die Energie der Macht eine Gestalt an. Sie sind dem Bösen zu absolutem Gehorsam verpflichtet.
    Sie sind Diener der schwarzen Sache. Bindeglieder in der Hierarchie des Schattens, Lakaien …«

    66

    Wie schon in der Nacht zuvor sprudelte in Nathans Kopf plötzlich das Wissen empor. Diesmal zuckte er nicht zusammen, er stellte sich keinerlei Fragen. Geistes-gegenwärtig verarbeitete er die Informationen. Die Männer im Anzug waren keine menschlichen Wesen, sondern Helluren. Und sie suchten ihn!
    Er drückte sich tief in den Sitz und bog nach links ab.
    Ohne Eile, um nicht aufzufallen. Als er außer Sichtweite war, gab er Gas und fuhr in Richtung Flughafen.
    Helluren.
    Noch nie hatte er von solchen Kreaturen gehört, doch er zweifelte keine Sekunde an ihrer Existenz. Bei der Erklärung, die ihm plötzlich in den Sinn kam, handelte es sich weder um eine Hypothese noch um ein Hirnge-spinst. Vielmehr um eine Gewissheit.
    Ein Lykanthrop, Helluren … Nathan hatte plötzlich das Gefühl, dass sein Leben aus den Fugen geraten war und er sich gerade mit Riesenschritten auf unbekanntes Terrain begab. Bedeutete das, zur Familie zu gehören?

    ***

    Am Abend ging ein Flug nach Marseille. Nathan bekam

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