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Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bottero
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Sanft. Sie bewegte sich nicht. Ihre Lippen berührten sich leicht.
    »Nein!«
    Sie hatte ihre Hände so heftig gegen seinen Oberkörper gestoßen, dass er fast von der Bank gefallen wäre.
    »Fass mich nicht an!«
    Ihr Satz endete in einem Wimmern. Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und krümmte sich zusammen.
    Nathan blieb eine Sekunde lang sprachlos sitzen und rutschte dann behutsam, damit sie es nicht falsch verstand, zur Seite.
    »Es tut mir leid«, sagte er leise.
    Sie saßen eine ganze Weile unbeweglich nebeneinander. Schließlich richtete Shaé sich langsam wieder auf, hob den Kopf und blickte ihn an. Er rechnete mit Trä-
    nen, doch ihr Blick war düster und unerklärlich.
    »Das ist nicht deine Schuld. Es will nicht, dass man mich berührt.«

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    athan fragte sie nicht, was ›Es‹ war. Er wusste es. Er N wusste auch, dass das Etwas seine Beziehung zu Shaé in eine Sackgasse geführt hatte. Wenn er da wieder heraus wollte, musste er sich etwas einfallen lassen. Was auch immer ihn das kosten würde.
    Die ersten Worte fielen am schwersten:
    »So lange ich mich zurückerinnern kann, hatte ich niemals Freunde …«
    Dann wurden seine Sätze flüssiger und reihten sich immer leichter aneinander. Und schon bald redete er für sich ebenso wie für sie und offenbarte dabei zum ersten Mal am helllichten Tag Gefühle, die er immer verheim-licht hatte.
    Mit einfachen Worten erklärte er seine Enttäuschung darüber, dass er zu seinen Eltern niemals ein normales Verhältnis aufbauen konnte. Er erzählte von der Liebe, die sie ihm gaben und die er für sie empfand. Und von der Mauer, die dennoch zwischen ihnen stand. Eine Mauer aus Unverständnis, erzieherischer Härte und – das wurde ihm jetzt bewusst – eine Mauer der Furcht. Er erzählte von seinen unzähligen Umzügen, den Freunden, die er verlor, kaum dass er sie gewonnen hatte, von seiner Einsamkeit.
    Ohne zu zögern beichtete er ihr die zahllosen Nächte, in denen er darum gebetet hatte, ein Junge wie alle anderen zu sein. Ohne diese erstaunlichen physischen und 153

    intellektuellen Fähigkeiten, die ihm nur die Feindseligkeit seiner Kameraden bescherten und ihn zwangen, der ganzen Welt davonzulaufen, immer auf der Flucht vor einer unbekannten Gefahr. Er sprach von seinem Schmerz und wieder von seiner Einsamkeit.
    Irgendwann schwieg er, überrascht und beunruhigt, so viel geredet zu haben. Es war so gar nicht seine Art.
    Er wandte den Kopf zu Shaé und erschrak, als er bemerkte, wie ihre schwarzen Augen ihn fixierten.
    Seine Worte hatten sie sehr bewegt. Durch das Vertrauen, das er ihr damit entgegengebracht hatte. Durch sein Leben, das so anders war als ihres und doch ähnlich.
    Durch seine Kraft und seine Schwächen. Durch seinen Mut. Und vor allem durch seine Einsamkeit.
    Auch sie wollte sich ihm mitteilen. Von ihren Eltern reden, an die sie nur ganz wenig Erinnerungen hatte. Vor allem von dem Etwas reden, das in ihr wohnte und die Kontrolle über ihren Körper und ihren Geist übernahm, sobald ihre Gefühle zu stark wurden. Von ihren Ängsten erzählen, ihrer Gewissheit, dass das Schlimmste unerwartet eintreten würde. Von ihrer Einsamkeit, ihrer schrecklichen.
    »Ich … mir geht es genauso.«
    Ihr so intensives Bedürfnis, sich anzuvertrauen, mündete nur in einem kläglichen Satz. Sie hätte vor Wut und innerer Not heulen können. Das Etwas hatte sie verstümmelt und ihre Fähigkeit, mit einem anderen zu kommunizieren und sich mitzuteilen, zerstört. Nathan würde sich von ihr abwenden. Das Licht am Ende des Tunnels, das sie gerade erst erspäht hatte, drohte bereits wieder auszugehen. Sie …

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    Entgegen ihrer Befürchtung wandte sich Nathan nicht ab. Im Gegenteil, er lächelte, wollte eine Bewegung auf sie zumachen, hielt aber inne, damit sie nicht wieder erstarrte, stattdessen lächelte er wieder und wechselte dann, ganz ruhig, das Thema.
    In leichtem Ton erzählte er von seinen Stationen in den französischen Lycées, spöttelte freundlich über seine Lehrer und ihre Macken, zeichnete grob ein karikaturen-haftes Porträt eines Schuldirektors, der besessen war vom Prozentsatz erfolgreicher Abiprüfungen an seiner Schule.
    Er machte sich über sich selbst und seine Fehler lustig, die er mit Freude großzügig übertrieb.
    Langsam, aber sicher entspannte sich Shaé.
    Als Nathan schwieg, kurbelte sie das Gespräch mit einer Bemerkung zu ihrem eigenen Lycée wieder an und lächelte, als er wieder zu reden begann und nicht mehr aufhörte.

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