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Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bottero
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er dann.
    »So weit man in die Vergangenheit zurückblickt, verfügte jede Familie über eine bestimmte Macht. Ihre Macht. Dir wurde irgendwann bewusst, wie glänzend du in der Schule und im Sport warst, nicht wahr? Das ist das Kennzeichen unserer Familie. Diejenige deiner Mutter hat, oder besser gesagt: hatte Zugang zu einem erstaunlichen Wissensspeicher. Eine Art überliefertes und ererb-tes Gedächtnis.«
    »Weshalb hatte?«
    »Soweit ich weiß, sind alle Mitglieder dieser Familie tot. Deine Mutter war die Letzte. Ich habe immer gedacht und auch betont, dass es dumm sei, deinen Vater unter dem Vorwand, die Vorfahren deiner Mutter hätten 145

    unsere bekämpft, zu verbannen, aber manche unter uns sind Gefangene der Tradition. Mein Argumentieren war vergeblich.«
    Barthélemy zog eine Brieftasche aus seinem Jackett und holte ein Foto hervor, das er bewegt ansah.
    »Ich war dabei, als deine Eltern sich kennenlernten.
    Damals waren dein Vater und ich passionierte Kletterer und unterwegs auf einer Tour mitten im Hohen Atlas –
    nicht sehr gut vorbereitet, wie ich zugeben muss. Glücklicherweise waren wir in Begleitung eines erfahrenen Bergführers, der mehrmals verhinderte, dass die Expedition in ein Drama mündete. Derselbe Führer entdeckte auch eines Morgens ein Auto, das auf einer abschüssigen Piste stecken geblieben war und eine Handbreit über dem Abgrund hing. Wir kamen gerade rechtzeitig, um die Fahrerin noch zu retten. Es war deine Mutter. Zwischen Luc und ihr war es Liebe auf den ersten Blick. Sie haben sich nie wieder getrennt. Sieh dir das Foto an, das sind wir zwei Tage später.«
    Er reichte es Nathan, der das Zittern seiner Hände nicht verbergen konnte. Shaé beugte sich über seine Schulter.
    Sie sahen beide drei braungebrannte, lachende junge Leute vor einer Karawanserei.
    Und beide spürten das mächtige Gefühl, das sie verband.
    Und beide zuckten zusammen, als sie den Führer hinter den drei jungen Wanderern erkannten.
    Ein sonnengegerbter kleiner Mann mit unglaublich blauen Augen.
    »Rafi!«

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    er Aufschrei kam gleichzeitig von Nathan und D Shaé.
    »Kennst du ihn?«, fragte Shaé verwundert und nahm Nathan die Worte aus dem Mund. Er nickte.
    »Er war es, der mein Handy am Flughafen kaputtge-macht hatte und mich unter dem Vorwand, mir ein neues zu besorgen, zu dem Parkplatz fuhr, wo wir uns trafen. Und du?«
    »Genauso.«
    »Wie, genauso?«
    »Er hat mich zum Parkplatz gebracht.«
    »Du kennst ihn also.«
    »Nein, ich habe nur am Abend vorher ein paar Worte mit ihm gewechselt.«
    Nathan fuhr sich mit der Hand durchs Haar.
    »Wer ist dieser Typ, verdammt noch mal, und wieso konnte er zur gleichen Zeit bei dir und am Flughafen sein?«
    »Nicht exakt zur gleichen Zeit«, korrigierte ihn Shaé.
    »Stimmt. Er fuhr mit dir dorthin, raste zum Flughafen und mit mir wieder zurück. Das war knapp, aber mach-bar. Allerdings erklärt das weder sein Verhalten noch weshalb er mit auf dem Foto meiner Eltern ist.«
    Barthélemy hatte das Gespräch aufmerksam verfolgt.
    Er musterte Nathan mit einem ernsten Blick.

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    »Gibt es vielleicht noch etwas, das ich wissen sollte?«
    Er hatte die Betonung auf das ›noch‹ gelegt, und Nathan lief rot an.
    »Nein«, wehrte er ab. »Ich wusste nur nicht, dass dieser Rafi irgendeine Bedeutung hatte.«
    »Die hat er sehr wohl«, entgegnete Barthélemy. »Vielleicht ist er sogar der Schlüssel zur Lösung dieses Rätsels.
    Erzählt mir alles, was ihr über ihn wisst.«
    Nathan leistete der Aufforderung Folge. Als er fertig war, wandte sich Barthélemy an Shaé.
    Sie mochte seine Art nicht besonders, aber er entfaltete eine solche Autorität, dass Gehorchen das einzig Vernünftige erschien. Widerwillig gab sie ihre Version der Geschichte preis. Kaum war sie mit ihrem Bericht am Ende, schob Barthélemy seinen Teller beiseite und stand auf.
    »Ich habe ein ungutes Gefühl. Ich hatte gehofft, Nathan, dass es für den Tod deiner Eltern einen Grund gäbe, wenn auch keinen natürlichen, so zumindest einen leicht erklärbaren. Aber das ist nicht der Fall. Die Helluren, die Lykanthropen und jetzt dieser mysteriöse Rafi.
    Alles deutet darauf hin, dass die uralten Bedrohungen, die man ausgelöscht glaubte, wieder auflodern.«
    »Was soll das heißen?«, fragte Nathan.
    Barthélemy zog es vor, nicht darauf zu antworten. Er deutete auf das Silbertablett mit dem dampfenden Ge-flügel und den Champignons.
    »Esst in Ruhe und ruht euch aus. Geht so lange im Park spazieren, wie

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