Das achte Tor
keilförmigen Buchstaben. Mit Hilfe dieser Piktogramme wird die Geschichte der Sumerer über Jahrhunderte überliefert.
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Das Goldene Zeitalter von Sumer ist das Zeitalter aller Möglichkeiten. Die zivilisierte Menschheit ist jung. Der Mensch hat sein Bewusstsein und seine Beziehung zur Realität noch nicht durch eine Reihe von wissenschaftlich bestimmten Konzepten eingeschränkt. Alles kann geschehen.
Und alles ist möglich.
Im Herzen von Sumer gründen sich sieben Familien.
Sieben Familien, von denen jede über eine außergewöhnliche Gabe verfügt. Eine Gabe, die ihnen einen privilegierten Platz in der sumerischen Gesellschaft verschafft und ihnen erlaubt, sich zu entfalten. In ihrer Größe und in ihrer Macht.
Die erste Familie, die mächtigste und von allen respek-tierte, ist die der Baumeister. Sie sind es, die die großen sumerischen Städte errichten und später auch den legendären Turm zu Babel, wodurch sie reich und berühmt werden. Doch die Fähigkeit der Baumeister beschränkt sich nicht nur auf die Konstruktion von Palästen und Tempeltürmen. Sie verbergen noch eine weitere, sehr viel mysteriösere Facette: die Kunst der Tore. Die Baumeister haben tatsächlich einen seltsamen Ort entdeckt, der jenseits unserer Dimensionen liegt, eine Art Dreh-scheibe zwischen Orten und Welten. Dort haben sie das errichtet, was zum Haus im Irgendwo wurde. Sie gelangen durch Tore hinein, durch die nur sie gehen können, und kommen tausende Kilometer von ihrem Eingangsort wieder heraus. Die Herrschaft über die Tore und ihr Einfluss auf den Handel machen die Baumeister zu einer der reichsten Dynastien der Welt.
Die anderen sechs Familien sind weniger berühmt, 250
nehmen aber in Sumer wichtige Positionen ein. Die Heiler verfügen für ihre Zeit über erstaunliche medizinische Kenntnisse und besitzen eine unglaubliche Fähigkeit der Zellgeneration. Die Scholiasten lernen durch Mimikry rasend schnell. Die Mnemiker profitieren von einem atavistischen Gedächtnis, das ihnen eine strahlende Zukunft verspricht, während die Kogisten über außergewöhnliche physische und intellektuelle Fähigkeiten verfü-
gen. Die Metamorphen sind unauffälliger. Sie haben die Kraft zur Verwandlung in irgendein Tier, vorausgesetzt, es ist nicht zu groß oder zu klein. Diese Gabe – die einzige, die manchmal von den Sumerern nicht akzeptiert ist –
verleitet die Metamorphen oft dazu, sich zu verstecken.
Und dann sind da noch die Führer, die ein so scharfes Wahrnehmungsvermögen für die Realität entwickelt haben, dass ihnen die Zukunft nur wie ein vergnügliches und kompliziertes Rätsel erscheint, das sie unbedingt lösen wollen. Die Führer haben keine eigenen Ambitionen und funktionieren als Bindeglied zwischen den verschiedenen Familien. Sie sorgen dort für Frieden, wo die Rivalität –
der Nährboden für jeden Krieg – Wurzeln schlagen will.
Im Jahr 2000 vor unserer Zeitrechnung wird die sumerische Zivilisation durch die babylonische abgelöst. Die sieben Familien jedoch gehen nicht unter. Im Gegenteil, ihre Macht wächst. Die Baumeister, die als Gegenlei-stung für das Bündnis eine gewisse Anzahl an Toren anderen Familien überlassen haben, entdecken eine Möglichkeit, das Haus im Irgendwo zu verlassen und in ein Paralleluniversum einzutreten, das sie Arkadien nennen.
Sie beginnen, es zu erforschen, doch diese Welt erweist sich bald als zu gefährlich, um diesen Versuch zu einem 251
erfolgreichen Abschluss zu führen. Dort leben blutrünstige Kreaturen, die die Expeditionen dezimieren, und so beschließt man, auf Druck der Führer, die Tore, die nach Arkadien führen, wieder zu verschließen. Sie nennen es jetzt Malarkadien.
Doch ein mächtiges und mit teuflischen Kräften ausgestattetes Wesen bricht ein Tor auf. Der Andere!
Es beginnt ein gnadenloser Kampf zwischen dem Anderen und den sieben Familien, die vereint sind in ihrer Furcht vor der Zerstörung ihrer Welt.
Der Krieg dauert drei Jahrhunderte und endet mit einem Sieg der Familien. Der Körper des Anderen ist zerstört und sein Wesen in drei Prinzipien geteilt: die Kraft Jaalab, das Herz Onjü und die Seele Eqkter. Jeder Teil ist gefangen, dank eines Tors, das die Baumeister geschaffen haben und das zu einem geheimen und unantastbaren Ort führt. Ihr Gefolge, die Kreaturen Malarkadiens, sind nacheinander getötet worden.
Man hatte geschworen, den Anderen niemals zu vergessen, und sich versprochen, die Brüderlichkeit zwischen den Familien als
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