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Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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scheibenförmige Kopf der Statue neigte sich nach vorn. »Niemand hat je danach gefragt, Wüstenkind«, antwortete sie. »Die Leute zogen es bislang vor, mir Namen zu geben. Der kürzeste von ihnen lautete Bel, der längste Parandowalarokodironikolkapul. Letzteren erhielt ich von einem Maharadscha aus Rajasthan.« Es schwieg einige Zeit, dann sagte es: »Ich heiße Jadamon. «
    »Ein schöner Name«, sagte Mira. »Was bedeutet er?«
    »Das habe ich vergessen«, gestand das Orakel. »Aber du hast mir meine eigene Frage noch immer nicht beantwortet: Was wollt ihr von mir zu dieser Stunde?«
    »Einen Tipp, wie wir zum Weltenbaum gelangen können«, rief Jiril aus der Dunkelheit herüber.
    Mira verzog die Mundwinkel. An die Statue gewandt fragte sie: »Kannst du uns verraten, wie wir auf die andere Seite der Mauern gelangen können?«
    »Tja, die Mauern, die Mauern«, murmelte das Orakel und nahm ächzend auf dem Sockel in der Mitte des Steinkreises Platz. »Warum sie wohl plötzlich da sein mögen …« Es neigte den Kopf ein Stück, streckte seine Beine aus und ließ seine Kniegelenke knacken. »Weshalb wollt ihr denn ausgerechnet zum Weltenbaum?«
    »Vielleicht, um die Welt zu retten?«, erklang Jirils Stimme aus der Dunkelheit.
    »Tja, die Welt, die arme Welt …«, machte das Orakel und schwieg.
    »Bitte, wir müssen auf die andere Seite der Mauer«, flehte Mira.
    Das Orakel sah das Mädchen durchdringend an. »Ein Hoher Priester aus Saba wollte einst von mir wissen, wie die Gesetze der sieben Himmel lauten«, sprach es schließlich. »Ich sagte ihm, dass es diese Gesetze zweifellos geben müsse, aber Gott habe sie nicht offengelegt, denn es gehöre nicht zu seinen Gewohnheiten, den Menschen Geheimnisse zu verraten, die für ihre Bestimmung völlig unnütz sind. Der Priester war sehr besorgt. Und du, Wüstenkind?«
    Mira starrte zu Boden.
    »Du kannst das Universum nicht anhalten oder seinen vorherbestimmten Lauf ändern, Mira. Jedoch besteht die Möglichkeit für einen … sagen wir Kompromiss.«
    »Kompromiss?«, kam es überrascht aus der Dunkelheit. »Welche Art von Kompromiss?«
    »Keiner, der euch gefallen würde«, hielt das Orakel dem heranschlendernden Jiril entgegen.
    »Was für ein nichtsnutziger Steinklotz«, murrte dieser. »Große Sprüche, aber im Grunde von nichts eine Ahnung.«
    »Führst du Selbstgespräche, kleiner Mann?«, raunte das Orakel.
    »Pfft.« Jiril sah pikiert in die Sterne. »Wenn ich nur einen Drachen hätte …«
    »Einen Drachen?!«, rief die Statue aus.
    »Dann könnten wir über die Mauer fliegen«, erklärte Mira.
    »Von uns habe ich bisher nichts gesagt«, sagte Jiril. »Wenn ich fliege, dann allein.«
    »Ich kenne einen Drachen«, fiel ihm das Orakel ins Wort. »Er heißt Perenomipakk und wohnt in Südgeorgien in einer schnuckeligen kleinen Eishöhle mit Vulkananschluss und fließend Warmwasser …«
    »Einen Lenkdrachen!«, riefen Mira und Jiril im Chor. »Aus Stoff und Metall.«
    »Ach so.« Die Statue kratzte sich unter ihrem linken Horn. »Muss einem ja auch gesagt werden …« Eine Weile herrschte verlegenes Schweigen, dann sagte Jadamon: »Es existieren noch die alten Flutstollen aus der Zeit, bevor das Kraftfeld das Wetter und das Klima über der Stadt konstant hielt.«
    Mira und Jiril sahen sich überrascht an.
    »Sie dienten einst dem Zweck, enorme Regenfluten aus der Stadt zu leiten, sobald Darabar ausgedehnte Sturmtiefs und subtropische Monsunzonen durchfliegen musste«, fuhr das Orakel fort, als es das Interesse seiner Besucher erkannte. »Ich kann mir kaum vorstellen, dass der Magistrat auch deren Eingänge hat zumauern lassen. Die Stollen selbst sind recht eng, doch ihr beide dürftet ohne Weiteres hindurchpassen.«
    »Wo finden wir einen dieser Stollen?«, wollte Mira wissen.
    »Nehmt die Treppe an der Ostseite des Platzes und folgt ihr hinab auf die zweite Ebene, bis ihr auf eine gemauerte Flutrinne stoßt. Sie führt euch direkt zum Eingang des Stollens, der hinter die Stadtmauern der Oststadt führt.« Das Orakel erhob sich. »Doch hütet euch, Nebethaum des Nachts zu betreten!«, mahnte es, wobei es beschwörend näher trat. »Geht niemals hinein, solange es dunkel ist – sonst seid ihr sein!«
    »Nebethaum?«
    »Das ist sein Name«, erklärte Jadamon. »Mit Auskünften dieser Größenordnung hätte ich normalerweise ein ganzes Monatsgehalt verdient. Ihr wart wahrlich ein schlechtes Geschäft.« Es wandte sich um, lief zurück in die Mitte des Steinkreises

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