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Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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begann am Beckenrand entlangzustreifen. Dabei ertappte sie sich, wie sie immer wieder hinab ins Wasser blickte und die reglosen Körper anstarrte.
    Sie erkannte Abraham, den dicken Schmied, der direkt am Dorfplatz seine Esse befeuert hatte und von allen nur »Eisenhart« gerufen worden war; Marsa, deren Hilfe immer dann gefragt gewesen war, wenn sich giftiges Kriechgetier in die Wohnungen verirrt hatte; Desmond, der von einer leiernden Alarmsirene bis zum defekten Quarzbohrer alles zu reparieren vermocht hatte, was Lärm erzeugte.
    Als Mira das Bassin beinahe zur Hälfte umrundet hatte, kam der Kolibri plötzlich wieder aus seinem Efeuversteck hervorgeflogen. Dicht über den Seerosenblättern schwebte er im Zickzack dahin, dann schoss er hinab ins Wasser. Mira starrte gebannt auf die Stelle, an der er verschwunden war, doch der schillernde Vogel tauchte nicht mehr auf. Als sich die Wasseroberfläche beruhigt hatte, erkannte sie stattdessen ein Gesicht, bei dessen Anblick ihr Herz einen Schlag aussetzte.
    »Vater …!«
     
    Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte Ben, dass Mira sich erhoben hatte und langsam am Rand des Bassins entlangzuschlendern begann. Er warf dem Mädchen einen kurzen Blick nach, dann sagte er zu Dr. Gayot: »Ich habe das Gefühl, dass das, was wir hier sehen, nicht unmittelbar mit dem nächtlichen Angriff der Wüstenmaschinen zusammenhängt.«
    Der Doktor unterbrach für einen Augenblick die Schadensdiagnose des reanimierten Roboters. »Wie soll ich das jetzt verstehen?«
    »Sehen Sie sich doch einfach mal um.« Ben wies andächtig in die Runde. »Halten Sie diese Fauna und Flora etwa für etwas Künstliches? Für kleine Roboter und Plastikpflanzen? Dieser wundersame Ort blüht vor Leben! Es ist fast, als wäre er von einer unsichtbaren Macht erfüllt, die alles Unnatürliche, Synthetische verabscheut. Allein die Reaktion dieses Kolibris auf Delius …« Ben starrte einige Sekunden lang grübelnd in das Speicherbecken, dann bückte er sich über den Rand und tauchte vorsichtig eine Hand ins Wasser. »Es ist angenehm warm«, stellte er fest. »Das Wasser hat fast Körpertemperatur …«
    Geht!, explodierte in diesem Augenblick ein tausendstimmiger Chor in Bens Kopf. Die Macht der Worte raubte ihm fast die Besinnung. Verschwindet!, forderte die Stimme. Und nehmt die Unwesen mit! GEHT! SOFORT!
    Dann spuckte das Wasser seine Hand regelrecht wieder aus. Es fühlte sich an wie ein starker Stromstoß. Der Schmerz schoss durch Bens Arm hinauf bis zur Schulter. Nur mit größter Mühe schaffte er es, einen Schmerzensschrei zu unterdrücken, während er sich am Beckenrand zusammenkrümmte.
    »Hast du dir die Hand im kalten Wasser verbrüht?«, spottete Jiril.
    »Das ist kein Wasser!«, stöhnte Ben.
    »Bitte?« Dr. Gayot schwebte verwundert heran. »Was denn sonst?«
    Ben schüttelte nur den Kopf. »Wo ist Mira?«, presste er hervor. Unter Schmerzen sah er sich um und entdeckte sie auf der anderen Seite des Bassins. »Holt sie vom Becken weg!«, rief er Jiril und dem Doktor zu.
    »Vater …«, hörte er in diesem Moment ihre Stimme und sah das Mädchen auf die efeuüberwucherte Mauer springen, die das Bassin umfasste. »Vater!«
    »Nein!«, vernahm Mira Bens Schrei von der anderen Seite des Bassins. »Nicht ins Wasser!« Doch da hatte sie sich bereits vom Beckenrand abgestoßen.
    Mira hatte erwartet, im Bassin unterzugehen, doch zu ihrer Überraschung versank sie nicht einmal bis zu den Knien darin. Der unerwartete Widerstand unter ihren Füßen ließ sie durchs Wasser stolpern. Als sie das Gleichgewicht wiedergefunden hatte, hatte sie sich bereits viel weiter vom Ufer entfernt als beabsichtigt.
    Verwundert blickte Mira auf ihre Füße. Sie stand nicht, wie sie zuerst befürchtet hatte, auf den Körpern der Schläfer, sondern eine Handbreit darüber. Es war fast, als würde sich zwischen ihren Fußsohlen und den unter der Oberfläche ruhenden Menschen eine unsichtbare Barriere befinden, die sie allein durch ihr Gewicht nicht zu durchdringen vermochte. Und noch etwas fiel ihr auf: Die Wasseroberfläche reflektierte kein Spiegelbild!
    Zuerst spürte Mira nur ein leichtes Prickeln unter den Füßen. Dann begann das Wasser um ihre Beine herum zu sprudeln wie eine heiße Quelle. Gleichzeitig trieben die Körper unter ihr auseinander und schufen eine große Lücke von bodenloser Schwärze. Mira wollte erschrocken zurückweichen, doch sie konnte ihre Füße nicht mehr von der Stelle bewegen, beinahe so, als würde

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