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Das Aion - Kinder der Sonne

Das Aion - Kinder der Sonne

Titel: Das Aion - Kinder der Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Mira vor, als habe sie eine andere Welt betreten. Der gesamte Boden des ehemaligen Hangars war knöchelhoch mit Efeu bedeckt. An den gewölbten Wänden brachen die Kletterpflanzen als teils baumdicke Wurzelstöcke aus dem Boden hervor und bedeckten weite Flächen der Mauern. Wo keine Blätter den Blick verwehrten, schlängelten sich die armdicken Hauptranken an den Wänden entlang wie fette Adern.
    Finken und Webervögel hatten sich im Geflecht der Pflanzen und an den wenigen freien Mauernischen ihre Nester eingerichtet. Das Gezwitscher der Vogelkolonien hallte tausendfach von den Wänden wider. Bunte Finkenschwärme kreisten umher, Mauersegler schossen in tollkühnen Flugmanövern durch die Halle.
    Über dem ehemaligen Speicherbecken, das im Zentrum der Halle lag, war der Efeu an den alten Pumpsäulen emporgewachsen, über die einst die Deckensprinkleranlage mit Wasser versorgt worden war. Im Laufe der Jahre hatten die Schlingpflanzen so über dem Bassin einen riesigen, natürlichen Baldachin aus Blättern geschaffen.
    »Sah es hier denn schon immer so aus?«, wunderte sich Dr. Gayot. »Das ist ja der reinste Paradiesgarten.«
    »Ich wüsste auch nicht, wovor man sich hier gruseln müsste«, bemerkte Jiril.
    Mira zuckte mit den Schultern und schwieg. Sie hatte ihre Arme vor der Brust verschränkt und sah sich fröstelnd um. Trotz der vermeintlichen Idylle fühlte sie sich unbehaglich. Während sie sich mit den anderen dem ehemaligen Speicherbecken näherte, hatte sie das Gefühl, von den überwucherten Wänden herab von zahllosen unsichtbaren Augen beobachtet zu werden.
    Unwillkürlich sah sie sich nach Jumper um, doch oben über dem Eingang, wo sie ihn vermutet hatte, war nichts zu erkennen. Wer oder was auch immer für das eigenartige Funkeln verantwortlich gewesen war, hielt sich verborgen.
    Ein leises Plätschern lenkte die Aufmerksamkeit der Gruppe auf das Speicherbecken. Unter dem Blätterbaldachin schoss ein kleines blaues Etwas hervor und kam pfeilschnell herangeschwirrt. Mira hielt es zuerst für ein großes, blau schillerndes Insekt – bis das Geschöpf direkt vor ihrem Gesicht in der Luft stoppte und das Mädchen neugierig musterte. Was da vor ihr auf der Stelle schwebte, war ein winziger Vogel, nicht größer als Miras Zeigefinger. Seine Flügel bewegten sich so schnell, dass das Mädchen sie kaum wahrzunehmen vermochte.
    »Ein Kolibri«, sagte Dr. Gayot verblüfft. »Das ist außergewöhnlich. Diese Vögel lebten vor den Sonnenstürmen auf den amerikanischen Kontinentalarchipelen, Tausende von Kilometern von hier entfernt.«
    Aus Delius’ Kopf drang ein verdächtiges Knattern.
    »Oh, oh«, erschrak der Doktor und suchte hektisch die Fernbedienung. »Das hatte ich ganz vergessen.«
    »Kontaminationsalarm!«, rief der Roboter auch schon, ehe der dicke Wissenschaftler den Controller in der Hand hatte. Sein Hals wuchs wie schon im Wald des Instituts empor, sämtliche Lämpchen an seinem langsam rotierenden Kopf begannen hektisch zu blinken. »Verbotener Organismus!«, hallte es von den Wänden wider. »Gefahr! Danger! Attenzione! Kontaminationsa…«
    Jiril beendete Delius’ Panikattacke durch einen gezielten Tritt gegen den Unterleib des Roboters.
    »Jetzt wird mir einiges klar«, kommentierte Dr. Gayot die Aktion des Alphas, nachdem der Roboter in üblicher Manier verstummt war. »Kein Wunder, dass ich Delius ständig rebooten und massenweise kaputte Schaltkreise austauschen muss.«
    Der Kolibri hatte sich vom Lärm des Roboters überraschend unbeeindruckt gezeigt und schwirrte weiterhin vor Miras Gesicht. Das Mädchen streckte vorsichtig einen Finger nach dem winzigen Vogel aus.
    Aus dem Schnabel des Kolibris schoss eine lange, feine Zunge und berührte für die Dauer eines Wimpernschlags Miras Fingerspitze. Der Kontakt war wie ein sanfter elektrischer Schlag.
    »Au!«, machte das Mädchen und zog die Hand erschrocken zurück.
    Der Kolibri verharrte noch ein paar Sekunden vor Mira in der Luft, dann flog er hinüber zu Ben, Jiril und Dr. Gayot. Jeden von ihnen schien er ausgiebig zu mustern, als sei er ein geflügelter Späher, der seinem Herrn Bericht erstatten musste. Besonders der Leviator des Doktors schien es ihm angetan zu haben.
    Als der winzige Vogel schließlich den erstarrten Delius in Augenschein nahm, wirkte er plötzlich aufgeregt. Entgegen seinem bisherigen Verhalten begnügte er sich nicht damit, den Roboter aus der Distanz zu begutachten, sondert schoss zwei-, dreimal auf Delhis’ Kopf

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