Das Aktmodell
durchzieht meinen Körper. Er drückt meinen weichen Busen gegen seine kraftvolle Brust. Seine muskulösen Schenkel pressen gegen meinen festen Bauch.
Atemlos gebe ich mich seinem Drängen hin.
Ich will ihn! Ich will ihn in mir fühlen.
Ganz hart soll er sein. Lange Zeit! So lange, bis ich laut zu stöhnen beginne … immer heftiger … immer schneller … bis ich endlich …
Ich setze mich abrupt in dem Doppelbett auf, das ich mir mit Delphine in einem kleinen Zimmer des Hauses in der Rue des Moulins teilen muss.
Mein Herz hämmert wie wild. Meine Zähne klappern, und ich bin schweißgebadet. Mit meinem Nachthemd wische ich mir die Stirn trocken. Der Raum ist dunkel, und ich bin ganz allein.
Ich zünde die Kerze neben dem Bett an und versuche den Traum aus meinem Gedächtnis zu streichen. Wahrscheinlich bin ich eingeschlafen. Ich erinnere mich noch daran, wie Paul seine Pinsel und Farben eingepackt hat und mir versprach, am nächsten Tag frühmorgens wiederzukommen. Dann verschwand er durch die Hintertür, um Madame Chapet nicht über den Weg zu laufen.
Anschließend kam Madame mit einem falschen Lächeln auf den Lippen in mein Zimmer und brachte mir ein Glas mit süßem Wein von den kanarischen Inseln. “Auf Anordnung des Doktors”, säuselte sie. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich davon getrunken habe …
Jetzt nehme ich das leere Glas, das neben mir auf dem Tisch steht und rieche daran. Kein Wunder, dass ich solche Kopfschmerzen habe!
Der Wein schien ganz harmlos zu sein und roch nach Zimt und Nelken. Mir wird klar, dass er Laudanum enthalten haben muss, ein beliebtes Beruhigungsmittel aus Morphium und Opium. Kein Wunder, dass ich mich nicht mehr daran erinnern kann, wie ich gestern Nacht noch nach oben geklettert bin, mich an Delphine anlehnend. Dann muss ich in einen unruhigen Schlaf gefallen sein, in eine Traumwelt voller geheimer Leidenschaften …
“Der Engländer wird Euch nicht in Ruhe lassen, Mademoiselle Autumn, bevor er nicht
votre gazon
, Euer Schamhaar, mit seinen Zähnen gezupft hat.”
Überrascht sehe ich mich um. Delphine ist im Zimmer. Die kleine Näherin sitzt in einem alten Schaukelstuhl und wippt hin und her. Sie trägt eine Flanellbluse, und ihre Hände liegen in ihrem Schoß gefaltet. An was sie wohl gerade denkt?
Ich durchsuche ihren Kleidervorrat, den sie sich von den Mädchen im Haus “geborgt” hat. Vielleicht finde ich etwas, das mir passt.
“Was hast du gerade über den Duke erzählt, Delphine?”
“Ich habe zufällig ein Gespräch von Lord Bingham und Madame Chapet mitbekommen. Monsieur Borquet soll getötet werden, weil er dem Lord zu gefährlich geworden ist.”
“Paul? Eine Gefahr für ihn? Das ist doch verrückt.”
“
Mais oui
, das hat Madame Chapet auch gesagt. Aber sie wird trotzdem alles tun, wenn es zu ihrem Vorteil ist. Die beiden hecken etwas aus, Mademoiselle.”
“Das bezweifle ich nicht. Dieser Engländer macht mir Angst, Delphine.”
“
Alors
, Mademoiselle, seine Augen sind böse. Sie strahlen einen Hass aus, den ich nicht einordnen kann.”
“Deshalb muss ich sofort von hier verschwinden. Noch bevor Madame Chapet sich nach unten schleppt, um ihren morgendlichen kleinen Kaffee und ein Stück Kuchen zu sich zu nehmen.”
“Ich habe Angst um Euch, Mademoiselle Autumn. Ich traue der Madame nicht.”
Ich grinse gequält. “Ihr meint den Wein mit dem Betäubungsmittel, den sie mir gegeben hat?”
Delphine nickt. Auf den Augenbrauen des Mädchens liegen Schweißperlen. Dann wird sie ganz ruhig und sagt nichts mehr. Sie versucht mich zu warnen. Ein dunkler Schatten zieht für einen Moment über ihr Gesicht. Schließlich redet sie.
“Madame Chapet ist eine böse Frau, die Euch sofort töten würde, wenn dabei ein Profit für sie herausspränge.”
“Ich bin so gut wie tot, wenn sie von meinen Plänen erfährt.” Ich schlüpfe in meine Unterwäsche, einen Rock aus Leinen und knielange Pluderhosen. Dann noch zwei Petticoats … einer aus Leinen und der andere aus blasser pinkfarbener Seide mit exquisiter Spitze am Saum. Dazu trage ich Strümpfe und meinen provisorischen Büstenhalter. Ich ziehe die Träger fest. Trotz Delphines geschocktem Gesichtsausdruck werde ich ihn nicht aufgeben. Sie hingegen wünscht sich, dass ich ein Korsett trage.
“Ihr
müsst
ein Korsett tragen, Mademoiselle Autumn. Das gehört sich so für eine Dame”, beharrt Delphine und zeigt mir ein Fischbein-Korsett, das unter den Achseln beginnt und bis zur
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