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Das Aktmodell

Das Aktmodell

Titel: Das Aktmodell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jina Bacarr
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und hielt sie dort, als ob sie aus Stein wären. Zahlen?, schien er ausdrücken zu wollen. Er konnte nicht. Er brauchte das Geld für die Reise.
    Er fuhr mit seiner Rolle fort und durchsuchte umständlich sein mit Farbe bekleckstes Jackett, Schweiß vermischte sich auf dem zerschlissenen Material mit den roten, blauen und gelben Klecksen zu einem blassen Regenbogen.
    Seine Augen gaben ihr zu verstehen, dass leider keine Münze klingelte. Dann durchsuchte er sein Cape. Kein zusammengefalteter Francschein raschelte.
    “Hier, nehmt das Geld, Madame, und lasst uns allein.”
    Paul war sofort alarmiert. Wer hatte eben gesprochen? Aus dem Befehl hatten Arroganz und Autorität geklungen. Langsam drehte er sich um und sah, wie ein Mann der Bedienung einige Francs zusteckte und ihr die Flasche abnahm.
    “Ach, Ihr seid es, Gauguin”, sagte er nur. Lächelnd umarmte er seinen alten Freund.
    “Bonjour, Paul, alter Kumpel”, lachte Gauguin und setzte sich zu ihm an den Tisch.
    Gauguin schien hier bekannt zu sein. Der andere Kerl, den er mitgebracht hatte, war Paul fremd. Gedrungen und dicklich wie ein Granatapfel, unrasiert und pockennarbig, warf er Paul einen Blick zu, der besagte, dass er es gewohnt war, angestarrt zu werden, und es ihm nichts mehr ausmachte.
    “
Merci.”
Paul stieß mit seinem Glas Absinth auf Gauguin an, ohne dabei seine Augen von dem Gentleman zu nehmen. Denn seiner Kleidung nach zu urteilen, musste er einer sein – auch wenn das Jackett um seine Mitte herum zu sehr spannte und das Hemd nicht gebügelt war.
    “Paul, begrüßt Monsieur Morand”, meinte Gauguin gutmütig. “Diesen Ramschhändler kenne ich schon seit Ewigkeiten. Aus meinen alten Tagen, als ich noch gesegelt bin. Er hat gerade im Quartier Marais ein Geschäft eröffnet.”
    “Antiquitäten,
s’il vous plaît
, Monsieur Gauguin”, korrigierte ihn der Mann. Seine Stimme war zu hoch für einen Mann und schien auch nicht so recht zu ihm zu passen.
    Gauguin nickte. “Monsieur Morand handelt mit Antiquitäten und mit Kunst, Paul. Ich habe ihm bereits von Euch erzählt.”
    Paul lehnte sich gespannt nach vorn, und auf einmal wurde ihm leicht schwindelig. Morand? Wo hatte er diesen Namen schon einmal gehört?
    “Habt Ihr die Ausweispapiere, Monsieur?”
    Der Händler kratzte sich an der Nase und zog ein braunes Päckchen aus der Innentasche seines Mantels hervor. Dann hakte er seine Finger in den kleinen Taschen seiner Weste ein, um sich wichtig zu machen.
    “Alles, was Ihr benötigt, ist hier in diesem Umschlag, Monsieur Borquet.”
    Der Mann erklärte noch einige Minuten umständlich, wie schwierig es gewesen sei, diese Papiere zu beschaffen, und wie viel Geld ihn das gekostet habe. Paul nickte nur. Er hatte vorher bereits Gauguin das Geld für den Händler gegeben, und jetzt wollte er mehr.
    Die beiden feilschten um den Preis und einigten sich schließlich in der Mitte. Paul gab ihm mehr Geld und erhielt schließlich das braune Paket. Unruhig rutschte er auf seinem Stuhl herum, bis sie sich schließlich voneinander verabschiedeten und Gauguin mit dem Mann das Lokal verließ.
    Automatisch war Paul aufgestanden und setzte sich dann wieder hin. Die sanften Klänge der Dampforgel mitsummend, leerte er schließlich die Flasche Absinth. Er machte keinen Hehl aus seiner Freude. Übermütig umarmte er die dickliche Bedienung und lachte, als sie ihm zwischen die Beine griff. Sie flüsterte ihm zu, dass sie nur zu gern seinen harten Ständer in sich spüren wolle. Verführerisch ließ sie sich auf seinem Schoß nieder und bewegte lasziv ihre Hüften. Lachend küsste er ihren drallen Busen, der aus dem Mieder quoll, während er in Gedanken bereits Pläne schmiedete. Er hatte noch mehr als genug Geld für die Reise nach Tahiti.
    Torkelnd, mit der Flasche in der Hand, verließ er die Bar. Vorsichtig schaute er sich um. Der Morgennebel umfing ihn wie ein Geist auf der Suche nach der letzten Ruhestätte, und er konnte nicht gut erkennen, ob jemand ihm folgte. Er betete, dass sein betrunkener Zustand jeden Verfolger von seinen wahren Plänen ablenken möge.
    Ich lehne mich auf meinem Stuhl am Fenster zurück. Wenn die Standuhr unten in der Halle aufhört zu schlagen, wird es vier Uhr morgens sein.
    Gong.
    Mit geschlossenen Augen warte ich darauf, ob die Uhr noch einmal schlägt.
    Stille. In einer Stunde wird es fünf Uhr sein, und dann bricht bereits die Morgendämmerung an. Werde ich dann immer noch hier am offenen Fenster sitzen, im fünften Stock

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