Das Aktmodell
liebte sie aus ganzem Herzen.
Er stöhnte, fluchte und versuchte weiterhin die Rolle des Betrunkenen zu spielen. Lautstark verlangte er nach mehr Absinth.
“Als ob man sich häutet”, murmelte er. In seinem Hirn tobte eine laute Musik.
Wenigstens musste er dann nicht den Lärm der Billardspieler ertragen, die ihre Elfenbeinkugeln gegeneinanderschossen. Auch die wehmütigen Lieder der Dampforgel, die zu viele einsame Nächte erlebt hatte, bekam er nicht mehr mit.
Er wollte für sich bleiben, auch wenn er die meisten der anderen Gäste kannte und ihn die Künstler und Poeten an ihren Tischen willkommen hießen. Er ignorierte sie und fragte sich, wer von ihnen ihn beobachtete. Dann konzentrierte er sich auf die alkoholischen Getränke in den bunt glitzernden Dekantern auf den Tischen. Das Spiel der Farben faszinierte ihn.
“Nichts zählt. Nur dies eine!”, murmelte er vor sich hin. “Meine grüne Fee. Noch eine Flasche, Madame,
vite, vite.”
Er fuchtelte mit den Armen in der Luft herum und klatschte der rundlichen Bedienung auf den Hintern. Sie drehte sich um, bereit, ihm ein kaltes Blesshuhn in den Schoß zu werfen, aber sie ließ es nur drohend am Fuß in der Luft baumeln, als sie erkannte, wer ihr Hinterteil so derb beleidigt hatte.
“Ah, Ihr seid es, mit Euren begabten Händen, Monsieur Borquet.” Sie schüttelte ihren Busen und rollte die dünne Zunge über ihre Lippen. “Wenn es irgendjemand anderer gewesen wäre, der mich so unsittlich berührt, dann würde ich ihm den Kopf abreißen. Es gehört sich nicht, eine Dame so anzufassen, zumindest nicht bevor man ein ordentliches Trinkgeld gegeben hat.” Sie legte das Hähnchen wieder auf die Platte und schob sie ihm zu. Dabei beugte sie sich so weit vor, dass Paul einen herrlichen Einblick in ihr Dekolleté bekam. Sie dirigierte seinen Mund in Richtung ihrer harten braunen Nippel, und Paul musste sich ziemlich zusammenreißen, um nicht in das saftige Fleisch zu beißen.
“Ihr könnt haben, was Ihr begehrt, Monsieur.”
Aber Paul gönnte ihr dieses Vergnügen nicht. Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und drehte seinen Kopf von dieser köstlichen Einladung weg. Er durfte seine Rolle auf keinen Fall aufgeben. Gauguin war noch nicht aufgetaucht. Ohne die gefälschten Papiere, die er ihm versprochen hatte, würden sie es ansonsten nur bis nach Cherbourg schaffen.
“Gebt mir noch eine Flasche, Madame. Noch eine Flasche …”
“Eh, Ihr habt genug getrunken, Monsieur.”
Ihre Stimme klang jetzt angewidert, und sie war beleidigt, von ihm abgewiesen worden zu sein. Aber Paul spielte weiterhin die Rolle des Trunkenbolds und hatte jetzt keine Zeit, charmant zu sein. Der Mann mit der Melone war eben hier vorbeigerannt und offensichtlich gerade auf dem Weg, den Duke über seinen Aufenthaltsort zu informieren. Ein anderer Mann wartete derweil hier und beobachtete ihn.
“Noch eine Flasche, habe ich gesagt.”
“Ich schließe gleich. Verschwindet jetzt, Monsieur.”
“Nein. Ich will noch eine neue Flasche!”
“
Merde
, ihr Künstler seid doch alle gleich. Nichts als trinken, trinken, trinken. Es ist mir schleierhaft, wie Ihr noch Zeit findet zum Malen.”
Paul legte seinen Kopf in die Hände und hielt sich die Ohren zu.
Wo blieb nur Gauguin?
Mit den Fingern fuhr er sich durch die langen dunklen Haare, genervt und frustriert. Hier saß er jetzt an einem dunklen Eichentisch unter Kupfertöpfen, Pfannen, Waffen und Zinngegenständen, die die Wände zierten, und trank mit anderen Künstlern und Händlern.
Seit der Nacht, in der er Autumn das erste Mal nackt in seinem Atelier sah, hatte sein Gehirn sich auf eine seltsame Reise begeben. Ihr Anblick hatte sowohl seine Seele als auch seine Lenden berührt. Ihr wundervoller Körper, auf dem Schweißperlen schimmerten, die ihre
minon
befeuchteten und von ihren prallen Brüsten perlten, wie klare Diamanten, die in der Hitze ihrer Erregung schmolzen.
Jung und schön war sie, umgeben von einer magischen Aura.
Wann konnte er sie endlich wieder in seinen Armen halten? Und würde sie ihn auch ohne die Ausstrahlung seiner Jugend so akzeptieren, wie er war?
“
Hélas
, hier ist Eure Flasche, Monsieur.” Die Bedienung hielt ihm eine Flasche Absinth hin, und Mitgefühl wärmte ihre Stimme. Paul griff nach der staubigen Flasche, Speichel sammelte sich in seinem Mund, und sein Herz begann zu rasen.
“Zuerst müsst Ihr zahlen”, sagte die Frau.
Erschreckt über diese Worte, hob Paul die Hände in die Luft
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