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Das Aktmodell

Das Aktmodell

Titel: Das Aktmodell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jina Bacarr
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des Hauses in der Rue des Moulins, und auf Paul Borquet warten? Wo ist er? Ist das alles bloß ein Traum, der mein innerstes Selbst erschüttern soll? Doch die Dunkelheit scheint mir heute Morgen wohlgesinnt. Sie lüftet ihren schwarzen Schleier und hüllt alles in einen nebligen Schimmer, um das heimliche Treffen mit meinem Geliebten nicht zu verraten.
    Wenn er denn überhaupt kommt. Irgendetwas läuft schief. Das spüre ich.
    Ich atme tief ein. Die Luft ist kühl und einladend. Ein gleichmäßiges Rumpeln und Klirren und erneutes Rumpeln durchbricht die Stille der Nacht und reißt mich aus meinen Gedanken.
    Eine streunende Katze? Ein Lumpensammler? Ich lehne meinen Kopf gegen den Stuhl und starre hinunter auf die Straße, überlege, wer der Störenfried sein könnte …
    Dann springe ich plötzlich auf. Was, wenn es Paul ist? Darf ich darauf hoffen? Eine Gestalt bewegt sich flink durch die Müllberge entlang der Straße, darauf bedacht, nicht gesehen zu werden.
    Es ist leider nur eine Lumpensammlerin. So wie die Frau, die ich vor Wochen getroffen habe, als mein Abenteuer gerade begann. Ich bin dabei, mich wieder hinzusetzen, als mir eine Bewegung auf der Straße auffällt. Ein großer Mann mit schwarzem Cape und einem ins Gesicht gezogenen Hut schreitet zielgerichtet auf unser Haus zu.
    Paul.
    Ich versuche meine Gefühle zu kontrollieren und beobachte ihn mit einer Mischung aus freudiger Erwartung und Angst vor der Zukunft. Ich bin nicht mehr das junge Mädchen mit dem perfekten Körper. Meine Haltung ist aufrechter, und ich ziehe den Bauch ein. Wird Paul mich trotzdem noch lieben?
    Vorsichtig steige ich die Treppen nach unten, bedacht darauf, so wenig Lärm wie möglich zu machen, bis ich mich im großen Salon befinde. Ich atme tief ein und versuche leise auszuatmen. Delphine schläft im Wohnzimmer, mit ihrer Näharbeit auf dem Schoß. Auf keinen Fall will ich sie wecken.
    Stufe für Stufe gleite ich weiter nach unten und versuche im Dunkeln zu bleiben. Auf alle Geräusche achtend, öffne ich leise die Tür nach draußen. Ich greife nach der Laterne, die auf dem gewohnten Platz steht, und schiebe sie ein wenig beiseite, um die Szenerie in so wenig Licht wie möglich zu tauchen. Bevor Paul irgendetwas sagen kann, umarme ich ihn bereits und stammle nur ein einziges Wort.
    “Paul.”
    “Autumn,
ma chérie
, ich habe so gebetet, dass du hier auf mich wartest.”
    Dunkle Augen schauen mich warmherzig an. Ich halte dem Blick stand.
    Irgendetwas ist anders an ihm. Er hat mehr Sex-Appeal als irgendein anderer Mann, der mir zuvor begegnet ist. Athletisch, kräftig und mit breiten Schultern. Er hat die Aura eines Mannes, der mit seiner Männlichkeit im Einklang steht und sich seiner Kraft bewusst ist. Als sich unsere Hüften leicht berühren, durchfährt mich ein sanftes Kribbeln, wie ein kleiner Orgasmus. Meine Muschi zieht sich um seinen imaginären Schwanz zusammen und findet ihren eigenen Rhythmus. Rein und raus … und noch einmal. Hm, was passiert hier gerade? Was auch immer es ist, mir gefällt’s.
    “
Allons
, wir müssen uns beeilen.” Paul zieht mich am Arm. “Der Zug vom
Gare St. Lazare
nach Cherbourg fährt gleich ab.”
    St. Lazare? Ich hatte gehofft, dieses Wort niemals mehr zu hören. Aber jetzt bedeutet es meine Freiheit.
    Ich betrete den stillen, nebligen Morgen und denke über die verworrenen Wege des Schicksals nach. Wie ich noch vor wenigen Wochen kurz davorstand, einen Mann zu heiraten, weil wir den gleichen Geschmack, den gleichen gesellschaftlichen Status, sogar die gleichen Freunde hatten. Und nun brenne ich mit einem Mann durch, ohne verheiratet zu sein, ohne Geld, ohne Zukunft und ohne überhaupt einen Schlafplatz für die Nacht zu haben. Trotzdem bereue ich gar nichts. Was auch immer passiert, ich möchte nichts daran ändern.
    Und gleichzeitig weiß ich, dass ich auch nichts daran ändern
könnte.
    So wirkt schwarze Magie, oder?
    Arm in Arm mit meinem schönen Maler wird mir bewusst, dass ich mich das erste Mal seit Beginn meiner Zeitreise sicher fühle.
    Sieh dich vor, Kind. Der Tag ist noch nicht vorbei.
    Wir eilen durch die Straßen um die Avenue de l’Opéra, am Louvre vorbei, weiter durch den Garten des
Jardin du Carrousel
, durch die Arkaden, die sich entlang der Rue de Rivoli bis hoch zur Rue Saint-Honoré erstrecken. Unsere Sinne sind aufs Äußerste gespannt, immer bereit, mögliche Verfolger abzuschütteln.
    “Wir werden ihnen niemals entkommen, Paul”, stoße ich nach Atem

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