Das Aktmodell
Messer, die Klinge blitzte im Schein der Kerze auf. Er schnitt die seidenen Kordeln des Kissenbezugs ab und band die Handgelenke der Rothaarigen an dem reich verzierten Seitenteil des Diwans fest.
Als Nächstes hob er mit der Spitze seines Gehstocks das tiefblaue Seidentuch an, mit dem er ihre nackten Brüste bedeckt hatte. Ihr Busen hob und senkte sich so langsam, dass sich eine zwischen ihren Brüsten platzierte Feder nicht einmal bewegen würde. Er bemerkte ihren schwachen Puls und auch die Schweißperlen, die sich zwischen ihren Schenkeln gebildet hatten. Diese Reinheit musste er unbedingt auf seiner Leinwand festhalten, diese grazile, durchgehende Linie von ihren weißen Schultern über ihre Hüften bis zu ihren Knöcheln.
“Ich kann meine Leidenschaft nicht länger verbergen, Mademoiselle”, flüsterte er, und seine Bewunderung verstärkte den hypnotischen Klang seiner Stimme, auch wenn er wusste, dass sie ihn immer noch nicht hören konnte. Die Wirkung des Absinths war ungefähr zu vergleichen mit dem todesähnlichen Schlaf nach ekstatischem Sex.
Er bereitete eine neue weiße Leinwand vor und zeichnete mit schnellen Strichen die groben Umrisse ihres Körpers. Im Geiste konnte er bereits sehen, wie ihre feuerroten Haare den Stoff des Diwans wie ein helles Feuer versengten, sah das zarte Rosé ihres Fleisches in dicken, eigensinnigen Pinselstrichen, sah ihre Haut so strahlend schimmern wie einen Wintermond.
Er befeuchtete seine Lippen und leckte die Borsten seines Dachshaarpinsels, bis sie eine perfekte Spitze ergaben. Dann tauchte er ihn in die grüne und rotorange Farbmischung der Ölfarbe und füllte damit die Zwischenräume seiner skizzierten Figur. Er blinzelte einige Male, um klar sehen zu können. Er balancierte am Rande der Erschöpfung, da er seit zwei Tagen nicht mehr geschlafen hatte. Oder waren es sogar drei? Er wusste es nicht.
Staunend beobachtete er, wie die Farbe teilweise von der Leinwand aufgesogen wurde und dem Bild eine seltsame Lebendigkeit verlieh. Fast hätte man meinen können, dass die Figur auf dem Bild bald erwachen würde. Beinah spürte er ihren Atem auf seinem Gesicht, als er sie malte. Er brauchte mehr Absinth, um sein Werk fortzusetzen. Aus seiner Tasche holte er den Flachmann und nahm einen tiefen Schluck. Der Geschmack des Wermuts setzte sich auf seiner Zunge fest und vertrieb den Hunger. Er stärkte sich an seinem kreativen Rausch, der ihn dazu zwang, alles zu vergessen außer seinem Drang, diese wunderschöne Frau zu malen.
Er tunkte den Pinsel wieder in das feine Elfenbein, die verschiedenen Blau- und Grüntöne auf seiner Palette miteinander in Beziehung setzend. Den starken Geruch von Terpentin, der sich im Studio festgesetzt hatte, nahm er schon lange nicht mehr wahr. Ein anderer Geruch setzte sich in seiner Nase fest. Der Geruch dieser Frau. Es war ein scharfer sexueller Duft, zusammengesetzt aus ihrem Parfum und ihren süßen Körperausdünstungen. Tief sog er den Geruch ein und ließ sich von ihm überwältigen.
Er malte Stunden ohne Unterbrechung. Nichts interessierte ihn außer den leuchtenden und fröhlichen Farben, die auf seiner Leinwand lebendig wurden. Das Rosa eines Sonnenuntergangs, die gelbe Farbe von Butterblumen und das Blau eines Feenvogels. Sein Pinsel flatterte impulsiv, aber zielsicher über die Leinwand. Die Farben flossen harmonisch zusammen und vibrierten vor Energie.
Er beobachtete, wie das Mädchen im Schlaf die Arme strecken wollte, um die Spannung in ihren Schultern zu lösen. Als sie den Widerstand ihrer seidenen Fesseln spürte, schürzte sie unwillig die Lippen, ohne jedoch aufzuwachen.
Sie hatte sich Autumn Maguire genannt. Ihre Augen waren geschlossen, und ihre langen Wimpern lagen wie rußige Flecken auf ihren Wangen. Sich seiner Anwesenheit nicht bewusst, wand sich ihr Körper wie eine faule Raupe im Blumenparadies, zog an ihren Fesseln, spreizte die Beine, gab den Blick auf die lockigen roten Haare um ihre Muschi herum frei und erregte ihn. Ein dünner Schweißfilm überzog ihren nackten Körper wie das Funkeln eines Diamanten, ihr Mund war leicht geöffnet, und mit der Zunge fuhr sie sich unbewusst lasziv über die Lippen.
Er atmete tief ein. Genau das fehlte seinem Bild: Er musste diesen ganz besonderen erotischen Ausdruck ihres Gesichts einfangen. Er legte seine Skizze zur Seite und entschied, ihren Körper als Leinwand zu benutzen. Mit einem weichen trockenen Pinsel begann er ihre Brüste mit den feinen Schweißperlen zu
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