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Das Aktmodell

Das Aktmodell

Titel: Das Aktmodell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jina Bacarr
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er unbedingt noch einmal erleben.
    Mit seiner Hand ergriff er seine Erektion. Erwartungsvoll drehte er sich um und streckte die Hand nach ihr aus. Aber er fand nur verknitterte Seide auf ihrer Seite. Er fühlte nach ihr. Aber er konnte sie nicht finden.
    Sie war verschwunden.
    Plötzlich war er hellwach. Er fühlte sich dem Wahnsinn nah, konnte nicht glauben, dass sie nicht da war, sich in Rauch aufgelöst hatte wie ein brennendes Streichholz. Sein Traum rann ihm wie Sand durch die Finger.
    Nein, nein, nein. Er weigerte sich zu glauben, dass sie ihn verlassen hatte. Das konnten die Götter ihm doch nicht antun. Beide Hände an die Schläfen gedrückt, als ob er damit den Schmerz verschwinden lassen könnte, sprang Paul vom Diwan auf. Mit wackeligen Beinen, sowohl vom ausdauernden Liebesspiel als auch vom zu reichlichen Absinth-Genuss, hielt er sich an dem kleinen Tischchen fest, um nicht umzufallen. Er hatte Angst vor der Dunkelheit, die sich langsam über ihn senkte und seine künstlerischen Visionen in eine Welt ohne Farbe, ohne Ton, ohne Licht hinabzuziehen drohte. Eine Welt ohne sie, in der er nicht mehr sein wollte. Sie zu lieben, sie zu küssen, sie zu malen war seine
raison d’être.
    Seine Seele.
    Sein Geist.
    Seine Unsterblichkeit.
    Obwohl sein Traum sich schon bald von seiner Seele löste und er das Hämmern von neuen Kopfschmerzen in seinem Schädel nahen fühlte, suchte er jeden Zentimeter seines Ateliers nach ihr ab, nach einem Hinweis darauf, dass sie wirklich da gewesen war. Was war mit dem roten Cape? Nein, das gehörte ja der Comtesse. Was blieb sonst noch? Er musste unbedingt einen Beweis finden, dass sie nicht nur in seiner Vorstellung existierte.
    Dann sah er es. Sein Bild von ihr.
    Mais oui.
Es war noch da. Halb fertig lehnte es gegen seine Staffelei, die Farbe noch ganz feucht, ihre Säfte vermischt mit Öl.
    Sein Meisterwerk. Frisch. Wunderschön. Bezaubernd.
    Aber wo steckte Autumn? Wo konnte sie sein?
    Während sein rationaler Verstand sich noch mit seinem künstlerischen Wahn stritt, redete er sich ein, dass die Rothaarige keine Illusion war. Sie hatte in seinen Armen gelegen, aber jetzt war sie verschwunden. Als Strafe dafür, dass er seine sexuellen Bedürfnisse über seine artistischen Visionen gestellt hatte. Seine Angst verwandelte sich in Ärger und der Ärger in Wut.
    Jetzt, da die Aufgebrachtheit in seinem Hirn tobte, stieg Paul in seine ganz persönliche Hölle hinab. Erst stöhnte er leise, dann wurden seine verzweifelten Schreie immer lauter. Seit Jahren hatte er nach so einer Frau gesucht. In Nächten, in denen das Mondlicht seine Geliebte war, ihr Bauch rund und glühend, ihn lockend, war er über die Treppen aufs Dach gestiegen. Dort, in seinem Hafen, wo er seine Magie webte, wo kalte Raserei seine Leidenschaft zum Erschaffen ausbrechen ließ, flog seine kreative Seele auf den Schwingen des Absinths, seiner grünen Zauberin, in schwindelerregende Ekstase. Während ein Paar grüner Augen sich ihm die ganze Zeit entzogen.
Ihre
grünen Augen.
    Das Miauen einer Katze holte ihn aus seinen Gedanken. Irgendwie war das Tier ins Zimmer gekommen.
Alors
, die große blaue Türe stand offen. Sein Puls raste. Sie könnte nach draußen gegangen sein, auf das Dach. Ja, genau!
    Er hob die dünne gelbe Kreatur auf und wiegte sie in seinen Armen. Zu spät stellte er fest, dass die Pfoten der Katze seiner Vermieterin nass mit roter Farbe waren. Er schaute nach unten und sah, dass die Katze ihre Notdurft auf einem Stück braunem Packpapier verrichtet hatte, das mit Farbe verschmiert war. Er konnte sich nicht erinnern, ein farbverschmiertes Stück Papier auf dem Boden hinterlassen zu haben, und so zerknüllte er es achtlos und warf es in die Ecke.
    Ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, eine Hose anzuziehen, setzte er die Katze auf den Boden und eilte nach draußen. Zwei Stufen auf einmal nehmend, hetzte er die Treppe zum Dach hinauf, sein nackter, muskulöser Körper glänzte von Schweiß.
    “Sie ist gegangen, Monsier Borquet”, sagte eine weibliche Stimme, dann hörte er einen lauten Seufzer.
    Paul drehte sich nach der Frau um. Es war die Hausmeisterin. Sie war in diesem unbestimmbaren Alter, in dem die sinkenden Brüste das Verblassen der Jugend ankündigten. Ein ausgewaschenes blaues Hauskleid und die graue Kappe, unter der sie ihr Haar versteckte, konterkarierten die Eitelkeit, die aus ihren kaminrot geschminkten Lippen sprach. Mit der Zunge befeuchtete sie ihre Lippen und starrte

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