Das Aktmodell
mich krank”, stoße ich hervor und trete ihm gegen das Schienbein. Das war zwar nicht genau die Stelle, die ich treffen wollte, aber besser als nichts.
Der Sergeant schlägt mich hart ins Gesicht. “Du dreckige Hure.”
Ein stechender Schmerz fährt durch meinen Kiefer, und die Wucht des Schlages lässt meine Haare fliegen.
“Wenn ich mit Euch fertig bin, Mademoiselle, dann werdet Ihr nicht mehr gerade stehen können”, lacht er und gräbt seine Finger tiefer in das Fleisch meiner nackten Brüste. “Ihr werdet dann für eine ganze Weile nur noch sehr langsam gehen können.”
Er lässt seine Hände über meinen Körper gleiten, fummelt mit kalten Fingern unter meinen Röcken herum und zieht meine Hosen über die Hüften. Ich presse meine Beine so hart zusammen, dass meine Schenkel schmerzen. Als er gewaltsam versucht, meine Beine zu öffnen, merke ich, dass ich meine Zähne zusammengebissen habe. Ich versuche meinen Kiefer zu entspannen, doch es gelingt mir nicht. Diese Situation werde ich niemals vergessen.
“Ich verlange, dass Ihr dem Mann Einhalt gebietet.” Mit dem Mut der Verzweiflung wende ich mich an den Magistrat. Auf keinen Fall werde ich zulassen, dass der Sergeant mich weiter mit seinen schmutzigen Händen berührt. “Das ist eine illegale Durchsuchung.”
“Wie bitte?”, fragt der Magistrat sichtlich verärgert.
Ü
berleg dir was … los, denk nach. Du hast genügend historische Dokumentationen gesehen, um dir eine plausible Erklärung einfallen zu lassen.
“Nach dem … äh, dem Vertrag von Versailles”, stelle ich selbstsicher fest, obwohl ich während des Redens einfach etwas erfinde, “darf eine Frau nur in Anwesenheit einer anderen Frau durchsucht werden.”
Der Magistrat zieht die Augenbrauen hoch. Was für ein Unsinn ist das?, scheint er zu fragen. Ich halte mein Kinn trotzig nach oben gerichtet, aber innerlich zittere ich. Das berühmte Abkommen wird erst in dreißig Jahren geschlossen und hat außerdem nichts mit dem französischen Strafsystem zu tun. Wird er meiner Lüge Glauben schenken?
Der Magistrat legt seine Brille ab. Er ist angespannt, aber bleibt trotzdem sachlich.
“Was ist das für ein Abkommen von Versailles? Eine weitere Sozialreform?” Ohne meine Antwort abzuwarten, fährt er fort. “Ach, diese schrecklichen Reformer mischen sich ständig in die Angelegenheiten der Polizei, dringen auf den Schutz von inhaftieren Frauen. Nur wegen dieser engstirnigen Weltverbesserer mussten wir schon auf das Brandmarken der Frauen verzichten. Und dann mussten in den Frauengefängnissen auch noch weibliche Aufseherinnen eingestellt werden. Und nun erzählt Ihr mir, Mademoiselle, dass sie sich eine neue Reform ausgedacht haben, die eine körperliche Durchsuchung von Frauen verbietet, wenn keine andere Frau gegenwärtig ist? Als Nächstes werden sie wohlmöglich noch sagen, dass Frauen und Männer vor dem Gesetz gleich sind. Wann wird dieser Wahnwitz endlich aufhören?”
Er nimmt einen kräftigen Schluck Wein aus dem Glas, das neben ihm steht. “Ich frage Euch, Mademoiselle, wie sollte ich von diesen Reformen wissen? Ich bin nur ein armer Angestellter der Stadt, der seinen Posten behalten möchte.” Er winkt den Polizisten von mir weg. “Das reicht jetzt, Sergeant.”
“Aber Monsieur le Magistrat, ich bin doch noch nicht fertig …”
“Es reicht, Sergeant”, befiehlt er.
Ich halte meine gefesselten Handgelenke vor die Brust. Sie fühlen sich taub an. “Dann kann ich also gehen?”
Der Magistrat schüttelt den Kopf. Er atmet heftiger. “Abkommen oder nicht, Mademoiselle, ich kann Euch nicht gehen lassen. Es ist offensichtlich, dass Ihr eine
femme galante
seid, eine äußerlich respektable Person, die sich in Theatern und Tanzsälen herumtreibt und Krankheiten verbreitet.” Mit seiner Brille klopft er gegen seine Handfläche. “Es ist meine Aufgabe als richterlicher Beamter, Frauen wie Euch von der Straße fernzuhalten.”
Mir wird nur allzu deutlich, dass er so versucht, sich die Reformer vom Hals zu halten.
“Aber ich sage Euch die Wahrheit – ich bin keine Prostituierte!”
“
Alors
, Mademoiselle, viele unschuldige Frauen wurden mit noch geringeren Beweisen in das Gefängnis von St. Lazare eingeliefert, vor allem seit der Préfet de Police die örtliche Polizei anwies, mit nicht registrierten Prostituierten nicht mehr so nachgiebig zu sein.” Er legt seine Brille zur Seite und wischt sich die Hände an einem Taschentuch ab. “Ich habe in dieser
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