Das Alabastergrab (Krimi-Edition)
erzählte dann aber doch eine Kurzfassung der Adoption.
Währenddessen drehte sich Fidibus indigniert um und ging zu seinem Wagen. In diesem Beruf war man ja tatsächlich vor nichts mehr sicher. War er froh, heute endlich daheim zu sein und in sein Bett sinken zu dürfen. Dort gab es keine Wehen, keine Leichen, keine Kameras und vor allem auch keine Schweine.
Als er seinen Wagen startete und den Ort seines persönlichen Dramas verließ, wurde er von niemandem beachtet.
*
Manuela Rast hatte sich einen Rotwein entkorkt, da sich inzwischen doch eine merkwürdig melancholische Stimmung ihrer bemächtigt hatte. So spontan sie sich auch über das Ableben ihres tyrannischen Mannes gefreut hatte, so sehr tat es ihr nun leid. Nicht für Edwin. Für diesen Mann hatte sie schon lange nichts mehr empfunden. Nein, sie bemitleidete sich selbst. Was war nur aus ihr geworden? Wie konnte aus der mitfühlenden, sensiblen Manuela ein derart kalter, empfindungsloser Mensch werden? Sie schauderte bei der Überlegung, griff sich schnell ihr bauchiges Glas und schlenderte zu ihrem orangefarbenen Sofa hinüber. Dort stellte sie den Wein auf den kleinen quadratischen Glastisch vor dem vereinsamten Sitzelement, auf dem sie noch vorgestern den beiden Kommissaren ins Gesicht gelacht hatte. Die mussten sie wahrscheinlich für hochgradig durchgedreht halten, wenn nicht gar für verdächtig. Aber das war ihr in diesem Moment so was von egal gewesen. Der Polizist, der sie andauernd durch seine alberne Sonnenbrille hindurch angestarrt hatte, war ja auch ein Paradiesvogel sondergleichen gewesen. Sie hatte es witzig gefunden, dieses Jüngelchen mit ihrer Erscheinung zu verwirren. Na ja, auch dieser Topf würde einmal seinen Deckel finden. Dringend nötig schien er es ja zu haben, dachte sie und lächelte über Lagerfelds individuelles Erscheinungsbild.
Schon lange hatte sie keine Gedanken mehr an Männer verschwendet. Die Lust im eigentlichen Sinne war ihr schon früh in ihrer unglücklichen Ehe vergangen. Sie könnte sich noch heute dafür ohrfeigen, dass sie das Leben freiwillig so lange ausgesperrt hatte. Aber damit würde jetzt Schluss sein. Ihr Sohn war immerhin aus dem Haus, und sie stand mit vierzig Jahren in der Blüte ihrer Jahre – auch wenn dieser junge Kommissar das offensichtlich nicht so sah. Bei dem Gedanken an ihn musste sie fast ihren Wein in den Roman prusten, den sie gerade aufgeschlagen hatte. Sie hatte selten ein so herzerfrischend blödes Gesicht gesehen wie das, das er zur Schau getragen hatte, als sie ihm ihr Alter nannte. Dabei hatte sie nicht übersehen, wie ihr der ältere Kollege, dieser Haderlein, spontan zulächelte, als dieser Schmitt sie anglotzte.
Überhaupt fand sie den Älteren der beiden wesentlich interessanter. Nicht dass sie das Gefühl hatte, sie müsste sich gleich auf ihn stürzen. Nein, das nicht, dieser Mann war eher unauffällig, aber auf eine sehr angenehme Weise attraktiv und sehr gepflegt. Daran sollte sich sein Kompagnon mal ein Beispiel nehmen.
Wenn sie an den Blick von diesem Kommissar Haderlein dachte, lief ihr ein wohliger kleiner Schauer den Rücken hinunter. Seine grauen Augen, die so völlig entspannt, aber bestimmt in den ihren ruhten. Sie hatte Mühe gehabt, seinem Blick standzuhalten, aber das natürlich nicht zeigen dürfen. Es war ein schönes Gefühl, mal wieder über einen Mann nachzudenken, bemerkte sie und kicherte. Manuela, du dummes Huhn, schimpfte sie mit sich selbst. Solche Männer waren in der Regel frühzeitig abgeschöpft worden und verheiratet. Und wenn sie ehrlich zu sich selbst war, wirkte dieser Haderlein verdammt verheiratet.
Sie seufzte, nahm noch einen Schluck von ihrem Wein und wollte sich endgültig ihrem Herzschmerz-Roman widmen, als es klopfte. Hatte man denn hier nie seine Ruhe? Wer wollte um diese Zeit noch etwas von ihr? Vielleicht war es ja der nette Kommissar? Angeblich wohnte er ja nur um die Ecke. Schnell stand sie auf und band einen lockeren Knoten in den Gürtel ihres bordeauxfarbenen Bademantels. Sie schmunzelte, während sie barfuß zur Tür ging. Bevor sie lächelnd die Tür öffnete, fuhr sie sich noch einmal schnell durch ihre Haare.
*
Irgendwann hatten die Vertreter der schreibenden, sprechenden und auch filmenden Zunft selbst von Riemenschneider genug und packten ein. Nur Dagmar Thiel konnte nicht von dem skurrilen Paar lassen.
»Sagen Sie, Herr Kommissar«, fragte sie, während sie Riemenschneider hinter den Ohren kraulte, »wäre es
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