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Das Albtraumreich des Edward Moon

Das Albtraumreich des Edward Moon

Titel: Das Albtraumreich des Edward Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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griff er wieder zur Flasche.
    »Ich schloss die Universität mit Erfolg ab und
entdeckte zu meiner großen Verblüffung, dass ich mit Zahlen gut umgehen konnte.
Also tat ich wie geheißen und gründete das Unternehmen, wie Mister Coleridge es
verfügt hatte. Aber ich konnte kein rechtes Interesse an der Pantisokratie
aufbringen, und während die Organisation scheinbar seinen Absichten und
Vorstellungen treu blieb, gelang es mir, über die Jahre zu viel Geld zu kommen.
Ich legte es in Immobilien an und spekulierte an der Börse. Auf dem Gipfel des
Erfolgs hatte das Unternehmen fast hundert Angestellte, und wir machten
beträchtliche Gewinne.«
    »Und um des Geldes wegen haben Sie die Ideale
Ihres Wohltäters verraten!«
    Love schien aufgebracht. »Harte Worte, Mister
Moon! Sehr harte Worte. Sie müssen verstehen, dass der alte Mann sehr krank
war, bevor er starb; manche würden sagen, er war auch nicht mehr ganz richtig
im Kopf. Ich habe jedenfalls mit meinem Erbe getan, was in meinen Möglichkeiten
stand – habe es verdoppelt, ja vervielfacht. Und ich bin weder geizig noch
selbstsüchtig. Ich ging großzügig mit den Erträgen um. Es gab eine Zeit, da
gehörte ich zu den bekanntesten Wohltätern ganz Londons! Ich hatte ein
schlechtes Gewissen, aber ein paar Tausender im Jahr schaffen da Abhilfe.«
    »Und wie ging es weiter?«
    »Vor fünf Jahren war es dann vorbei mit den
goldenen Zeiten. Ich war nicht mehr jung genug, um die Organisation zu führen,
und sie war ein wenig altersschwach geworden, genau wie ich. Aber keiner meiner
Jungen zeigte echtes Interesse an einer Nachfolge. Ich war am Ende meiner
Weisheit, als eine Personengruppe an mich herantrat. Sie wären Männer Gottes,
behaupteten sie, Beauftragte einer Organisation namens Kirche des
Sommerkönigreichs. Ich sehe schon, dass Ihnen der Name etwas sagt. Zufällig
sagte er auch mir etwas, denn ich hatte mehr als einmal für ihre Sache
gespendet. Die Männer, die mit mir verhandelten, hießen – so unglaubwürdig
es klingt Donald McDonald und Doktor Tan. Sie sagten, sie wären Verehrer von
Mister Coleridge, sagten, sie bewunderten den Mann und brachten mich fast in
Verlegenheit mit ihrer übertriebenen Ehrerbietung mir gegenüber – einem
der letzten Zeitgenossen, sagten sie, die den Dichter noch persönlich gekannt
hatten. Sie wussten alles von dem Testament, von den Plänen des alten Mannes
für das Unternehmen, und sie machten mir ein Angebot. Sie versprachen,
Love
mit all seinen bisherigen Tätigkeiten weiterzuführen, das Personal in ihren
Diensten zu behalten und mich als Ehrenpräsidenten einzusetzen – unter der
einen Bedingung, dass wir uns wieder Coleridges ursprünglichen Zielsetzungen
zuwandten. Sie planten sogar, zur gegebenen Zeit als Pantisokraten zu leben! Es
war die arglose Schwäche eines alten Mannes, und zweifellos halten Sie mich
jetzt für töricht, aber ich glaubte ihnen aufs Wort. Jetzt sehe ich, dass es
redegewandte Schurken waren. Ich war damals der Geschäfte ohnehin überdrüssig,
und ich fühlte mich schuldig, also überließ ich ihnen ein gewisses Maß an
Einfluss. Damals schien es das Richtige zu sein.«
    »Lassen Sie mich raten«, warf Moon ein. »Die
Kirche übernahm die Zügel zur Gänze und drängte Sie aus dem Unternehmen.«
    »Sie warfen mich auf die Straße! Danach meinte
ich, der einzige Weg, der mir noch offen stünde, wäre jener der Buße und
Meditation. Und so finden Sie mich hier als erfolglosen Klausner.«
    »Konnten Sie sich denn nicht wehren? Das
Unternehmen selbst gehörte doch gewiss noch Ihnen!«
    »Sie hatten gewiefte Anwälte. In meiner Dummheit
hatte ich Dokumente unterschrieben, die diesen Leuten das Unternehmen völlig in
die Hand gaben. Ich muss es gestehen: Man hat mich gründlich übertölpelt. Ich
hatte mir einen Kuckuck ins Nest gesetzt. Und auch meine eigenen Jungen standen
völlig in ihrem Bann. Wie mir zu Ohren kam, spielten sie bei meinem Untergang
eine tragende Rolle, obwohl ich das bis heute nicht recht glauben will. Können
Sie es mir also nachsehen, wenn ich mich jetzt hier vergrabe?« Er griff
wiederum nach der Whiskyflasche und trank sie leer.
    »Nur Mut, Mister Love. Welche Veränderungen wurden
in der Organisation durchgeführt? Von diesem McDonald, diesem Reverend Tan?«
    »Das sind nicht ihre wirklichen Namen, oder?«,
fragte Love einigermaßen resigniert.
    »Ganz sicher nicht. Aber sagen Sie mir, was
passierte mit
Love, Love, Love und Love
weiter?«
    »Von Anfang an hielten sie

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