Das Albtraumreich des Edward Moon
als mir der Alte entgegenstürzte.
Ich fing ihn auf, und er lehnte sich nach Luft ringend an mich. Ich schlug ihm
fest auf den Rücken, und er hustete ein Weilchen, ehe er tiefe Atemzüge nahm.
Er sagte nichts, gurgelte und zischte nur wie ein löchriger Blasebalg, während
ihm Schaum vom Mund troff und ich ihn fest an mich gepresst hielt.
Nein, Moon würde mich nicht besiegen! Ich hatte
mein Versagen in einen Triumph verwandelt. Der Träumer war erwacht, der
Präsident wandelte unter uns, und endlich war
Love
losgelassen auf
Londons Straßen.
NEUNZEHN
Maurice Trotman war beim Frühstück, als
das Schicksal an seine Tür klopfte. Mister Trotman, werden Sie sich erinnern,
war der Mann vom Ministerium, der Beamte, dem gelungen war, woran so viele andere
vor ihm gescheitert waren, nämlich das Direktorium für immer zu schließen. Er
war ein steifer, pedantischer Mann, typisch für diesen Menschenschlag –
jene leidenschaftslosen Automaten mit den unbewegten Gesichtern, die
unermüdlich die erbarmungslose Staatsmaschinerie am Laufen halten. Sein Ehrgeiz
hatte Grenzen, seine Zukunftsträume waren bescheiden, und er sah das Leben
prosaisch – als eine Leiter, eine Laufbahn, als eine angenehm regelmäßige
Aufeinanderfolge von Beförderungen und Ernennungen.
Er war gerade im Begriff, ein verlorenes Ei zu
essen, als er das energische Pochen an seiner Haustür vernahm. Obgleich er der
Tochter eines Kollegen halbherzig den Hof machte, war er immer noch
Junggeselle, hatte kein Personal und lebte und aß allein. Daher war es Maurice
selbst, der, noch im rehbraunen Schlafrock, dem Tod die Tür öffnete.
»Was wollen Sie?«, fragte er barsch. Wie jeder
echte Gentleman war er vor acht Uhr morgens nur in bedingt gut gelaunter
Verfassung.
Ein extravagantes Paar stand vor der Tür. Erwachsene
Männer, einer stämmig, der andere schlank, und beide in kurzen Flanellhosen,
unter denen sich nackte, knorrige Männerknie zeigten.
»Morgen«, sagte Boon.
»Tag auch«, sagte Hawker.
»Tut uns schrecklich leid, Sie so früh stören zu
müssen.«
»Geht nicht anders«, bedauerte Hawker.
»Ich fürchte, wir sind so etwas wie ein Deus ex
machina.«
»Schwatz nicht Latein mit mir, Alter! Du weißt
doch, ich verstehe bloß Bahnhof!«
Boon kicherte pflichtschuldigst. »Hawker hat ein
tolles neues Taschenmesser«, vertraute er Maurice an. »Mit Korkenzieher und
Flaschenöffner und so einem Dings, mit dem man dem Pferd Steinchen aus den
Hufen holen kann. Möchten Sie es sehen?«
Im Laufe ihrer beispiellos langen und
blutgetränkten Karriere hatte nur selten etwas die Präfekten überrascht.
Besonders verblüffend also, dass es einem besseren Bürohengst gelingen sollte,
sie so einfach zu überlisten.
Maurice Trotman war die Beamtenleiter nicht so
weit hochgeklettert, ohne auf diesem Wege eine ordentliche Portion List und
Tücke mitzunehmen. Er hatte die Präfekten auf den ersten Blick erkannt, und
während die beiden vor ihm standen, ihren sorgfältig einstudierten Austausch
von neckischem Geplänkel abspulten und fröhlich daherschnatterten, entwarf er
längst einen Fluchtplan. Der Rückzug ins Haus kam natürlich nicht in Frage; er
wusste, dort würde er in der Falle sitzen, die beiden würden ihn aufspüren und
umgehend erledigen. Doch draußen im Freien mochte er noch eine Chance haben.
Während Hawker und Boon ihr Geschwätz fortsetzten
(irgendetwas über Seilspringen), streckte Trotman vorsichtig den linken Arm
hinter die Tür und zum Schirmständer, aus dem er geschickt das Familienerbstück
zog: einen schlanken schwarzen Schirm, drei Generationen alt –
weitergegeben von Vater zu Sohn über sechzig stolze Jahre Dienst am Staate
hinweg.
Er fixierte die Präfekten. Hawker hatte sein
Messer gezogen und war im Begriff, ihm lautlos immer dichter auf den Leib zu
rücken, als Trotman mit verblüffender Gewandtheit den Schirm hinter der Tür
hervorriss und damit dem Mordbuben das Messer aus der Hand schlug. Er machte
sich den Augenblick der Überraschung zunutze und schoss zwischen den Präfekten
hindurch auf die Straße. Er konnte sein Glück kaum glauben, als er Richtung
Zentrum raste, dorthin, wo er sich fälschlicherweise in Sicherheit wähnte.
Hawker brüllte vor Ohnmacht und Enttäuschung auf,
Boon hingegen kochte zwar vor Wut, gab jedoch keinen Laut von sich.
»Gottverdammter Lumpensack!«, schrie Hawker. »Er
ist getürmt! Der nichtsnutzige Spitzbube haut ab! Was sollen wir jetzt tun?«
Boon setzte eine grimmig
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