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Das Albtraumreich des Edward Moon

Das Albtraumreich des Edward Moon

Titel: Das Albtraumreich des Edward Moon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Barnes
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entschlossene Miene auf.
»Wir folgen ihm! Und wenn wir ihn haben, prügeln wir das Stinktier mit seinem
verflixten Schirm zu Tode!«
    Die Präfekten rannten los und setzten schweigend
ihrer Beute nach, unbeirrbar wie Bluthunde auf einer Fährte, unerbittlich wie
das Schicksal.
    Ich nehme an, ich sollte Ihnen jetzt
besser berichten, wie es mit Moon weiterging. Wie mir scheint, haben Sie alle
meine Warnungen in den Wind geschlagen und sind mittlerweile dem Manne zugetan;
so halte ich es für möglich, dass Sie sich um ihn sorgen.
    Zweifellos fühlte er sich höchst selbstzufrieden,
als er das Hauptquartier von
Love
verließ und über die Station King
William Street nach oben in den jungen Tag zurückschlenderte. Oh, er dachte
gewiss, er hätte mich mit dieser Schmierenkomödie, dieser vorgespiegelten
Damaszener Bekehrung hinters Licht geführt. Doch wie wir gesehen haben,
rechnete er nicht mit dem Scharfsinn seiner Schwester.
    Oben angekommen winkte er die erste Droschke
herbei, die ihm unter die Augen kam, und hieß den Kutscher, ihn auf kürzestem
Wege nach Scotland Yard zu bringen. Er versprach dem Mann sogar einen
Sovereign, wenn er die Strecke in einer Viertelstunde schaffte. Tatsächlich
dauerte die Fahrt dann fast doppelt so lang, während Moon ohnmächtig mit den
Fingern trommelte. Nach der Ankunft am Yard rannte er geradewegs zum Büro
seines alten Freundes, riss die Tür auf, ohne zu klopfen, und rief:
»Merryweather.«
    Überrascht sah der Inspektor von seinem
Schreibtisch hoch. »Edward! Was ist denn los?«
    In verzweifelter Hast, seinen Bericht
hervorzusprudeln, jedoch ohne zu wissen, wo er beginnen sollte, klang Moon wie
ein menschliches Telegramm, und die Satzfragmente, die er hervorstieß, ergaben
keinen Sinn: »Verschwörung … im Untergrund … ganz
Love
versammelt … der Träumer … Schlafwandler …«
    »Sachte, Edward, sachte. Erzähl mir langsam, was
geschehen ist.«
    Moon holte tief Atem. »Ein Mann, der sich Reverend
Doktor Tan nennt, hat in Stollen unter der Stadt eine ganze Armee aufgestellt.
Ein Spinner. Er hat irgendeinen wahnwitzigen Plan ausgeheckt, London zu
zerstören, die Stadt in Schutt und Asche zu legen und dann neu aufzubauen.«
    Vermutlich sollte ich mich ein wenig gekränkt
fühlen, als Spinner bezeichnet zu werden, aber dazu müsste es mir an der mir
eigenen menschlichen Größe fehlen. Propheten gelten schließlich nie im eigenen
Lande.
    Als Moon geendet hatte, löste sich ein
umfangreicher Schatten aus einer Ecke des Raumes. »Es hat also angefangen«,
stellte er nüchtern fest.
    Merryweather erhob sich. Moon sollte später einmal
sagen, dass dies eine der wenigen Gelegenheiten war, bei denen er den Inspektor
nicht lachend oder wenigstens lächelnd oder einen leicht unpassenden Witz
reißend erlebt hatte. Selbst angesichts brutaler Verbrechen und schrecklicher
Morde, heimtückischer Attentate, blutiger Unruhen und grässlicher Tötungsorgien
Wahnsinniger hatte Detektivinspektor Merryweather nie seinen Sinn für Humor
verloren. Dass er heute nicht einmal den Anflug eines Lächelns auf seine Lippen
brachte, war ein Maßstab für den Ernst der Lage.
    Er stellte den Fremden vor. »Dies ist Mister
Dedlock.«
    Der Mann mit der furchtbaren Narbe im Gesicht
machte die Andeutung einer Verbeugung. »Ich arbeite mit Skimpole zusammen.«
    Moon starrte ihn an, hob die Nase und schien
Witterung aufzunehmen wie ein Fuchs, der spürt, dass die Jagd näherkommt. »Sie
sind vom Direktorium«, stieß er hervor. »Was wollen Sie hier?«
    »
Ex
-Direktorium«, murmelte Merryweather.
    »Die Dienststelle wurde geschlossen«, bestätigte
Dedlock. »Man hat bereits versucht, mich umzubringen. Und Skimpole ist nirgends
zu finden. Ich musste mich um Beistand an die Polizei wenden.« Er rümpfte die
Nase.
    »
Love
war schlauer als Sie«, sagte Moon
(und ich gestehe, ich verspürte einigen Stolz hinsichtlich der beiläufigen
Selbstverständlichkeit, mit der er das feststellte). »Diese Leute sind zum
Losschlagen bereit. In zwei Wochen werden sie aus dem Untergrund hervorstürmen,
um alles zu zerstören, was sich ihnen in den Weg stellt. Die Stadt ist in
schrecklicher Gefahr.«
    »Klingt unglaublich«, schüttelte Merryweather den
Kopf. Er wurde von einem kurzen Klopfen an der Tür am Weitersprechen gehindert.
Ein junger Polizist, außer Atem und mit rotem Kopf, trat ein und spähte nervös
von einem zum anderen. »Verzeihung, wenn ich störe, Sir.«
    »Was gibt’s?«
    »Wir haben Berichte

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