Das Alexandria-Komplott
hatte, fanden sie in 1.020 Metern Tiefe ein Schiffswrack, dessen Dimensionen denen der Lady Flamborough entsprach.
Bei der Entdeckung zeichnete sich das Objekt als winziger dunkler Punkt auf einer Ebene unterhalb des Festlandssockels ab. Als die Sounder näher herankam, verringerte der Matrose, der das Sonar bediente, die Abtastweite, bis das schattenhafte Bild eines Schiffes sichtbar Gestalt annahm.
Die Sounder war nicht mit dem fünf Millionen Dollar teuren System ausgerüstet, das Pitt und Giordino auf der Polar Explorer zur Verfügung gestanden hatte. Auf dem Schlepp-Sonarsensor waren keine Farb-Videokameras montiert. Die Aufgabe der Ozeanographen, die auf der Sounder Dienst taten, bestand einzig und allein darin, großflächige Abschnitte des Meeresbodens zu kartographieren. Ihre Elektronikausrüstung war auf Distanz ausgelegt, nicht darauf, von technischen Objekten Nahaufnahmen zu schießen.
»Die gleiche Struktur«, stellte Gunn fest. »Ziemlich undeutlich. Könnte Einbildung sein, aber das Schiff scheint einen nach hinten geneigten Schornstein auf dem Heckaufbau zu haben. Die Bordwände wirken hoch und gerade. Es liegt auf ebenem Kiel, nicht mehr als zehn Grad Schlagseite.«
»Wir müssen Kameras runterschicken, um das Schiff mit Sicherheit zu identifizieren«, schlug Giordino zögernd vor.
Pitt sagte nichts. Sein Blick war immer noch auf die Sonaraufzeichnungen gerichtet, noch lange nachdem das Ziel hinter dem Heck der Sounder verschwunden war. Er hatte das Gefühl, auf einen Sarg zu starren.
»Ganze Arbeit, Kumpel«, meinte Giordino zu ihm. »Volltreffer.«
»Woher wußten Sie nur, wo Sie suchen mußten?« erkundigte sich Frank Stewart, der Kapitän der Sounder.
»Ich habe darauf gesetzt, daß die Lady Flamborough ihren Kurs nicht geändert hat, nachdem sie die General Bravo auf der dem Land zugewandten Seite passiert hatte«, erklärte Pitt. »Und da sie von den Suchflugzeugen nicht jenseits des Kurses der Gabo Gallegos gesichtet worden ist, vermutete ich, daß die Gegend, auf die wir unsere Suche konzentrieren sollten, geradewegs östlich ihres letzten vom Landsat gezeigten und uns bekannten Kurs liegen mußte.«
»Kurz gesagt, um den schmalen Korridor, der sich zwischen der General Bravo und der Gabo Gallegos erstreckte«, erklärte Giordino.
»So ungefähr, ja«, bestätigte Pitt.
Gunn sah ihn an. »Ist leider kein Anlaß zum Feiern.«
»Wollen Sie ein Remote Operated Vehicle, ein ferngelenktes Unterwasser-Sichtgerät, runterschicken?« erkundigte sich Stewart.
»Die Zeit können wir uns sparen«, antwortete Pitt, »indem wir die Untersuchung mit der Fernlenkkamera vermeiden und direkt mit einer bemannten Sonde runtergehen. Die Arbeitsarme der Unterwassersonde könnten sich auch als brauchbar erweisen, wenn wir etwas vom Wrack hochtransportieren müssen.«
»Die Mannschaft kann den Deep Rover in einer halben Stunde tauchfertig haben«, erklärte Stewart. »Übernehmen Sie die Bedienung selbst?«
Pitt nickte. »Ich gehe mit ihr runter.«
»Tausend Meter ist genau die höchstzulässige Tiefe.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, gab Rudi Gunn zurück. »In dieser Tiefe hat der Deep Rover einen Sicherheitsfaktor von vier zu eins.«
»Lieber fahre ich mit einem Volkswagen die Niagarafälle hinunter«, brummte der Captain, »als tausend Meter in einer Plastikkugel zu tauchen.«
Stewart, schmalschulterig, mit öligem schwarzbraunem Haar, sah aus wie ein Kleinstadtkrämer, der gleichzeitig die örtliche Pfadfinderjugend betreute. Er war ein erfahrener Seemann, der zwar schwimmen konnte, aber einen Heidenrespekt vor der Tiefe hatte und es deshalb immer abgelehnt hatte, Tauchen zu lernen.
Er kümmerte sich um die Ansinnen und Marotten der Wissenschaftler bei deren ozeanographischen Forschungsprojekten auf eine korrekt-geschäftliche Art und Weise.
Die Führung des Schiffes allerdings betrachtete er als seine Domäne, und jeder Akademiker, der bei seiner Mannschaft den großen Mann spielen wollte, wurde kurzerhand von ihm kielgeholt.
»Diese Plastikkugel«, erklärte Pitt, »ist eine Kugel aus Acryl, dicker als zwölf Zentimeter.«
»Ich gebe mich damit zufrieden, im Sonnenschein an Deck zu sitzen und jedem nachzuwinken, der es wagt, in diesem neumodischen Gefährt zu tauchen.«
Gunn zeichnete ein Bild des Wracks, wie es vom Sonar aufgezeichnet worden war, auf Videoband auf und studierte es nachdenklich. Er schob sich die Brille auf die Stirn und blinzelte. »Der Rumpf sieht intakt aus.
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