Das Alexandria-Komplott
Vollmonds.
Vor tausend Jahren hatten sie das Dach des Tempels getragen, der auf der Spitze der fünfterrassigen Pyramide von Quetzalcoatl, in der alten Toltekenstadt Tula, gestanden hatte. Der Tempel war verschwunden, doch die Pyramide blieb bestehen und war von Archäologen restauriert worden. Die Ruinen erstreckten sich über einen niedrigen Bergkamm, und in der Blütezeit der Stadt hatten hier sechzigtausend Menschen gelebt.
Nur wenige Besucher fanden den Weg zur Ausgrabungsstätte, und diejenigen, die die Mühe auf sich nahmen, waren von Tulas unvergeßlicher Einsamkeit tief beeindruckt.
Der Mond warf geisterhafte Schatten in der toten Stadt, als ein einsamer Mann die steilen Stufen der Pyramide erklomm, die zu den Steinfiguren auf dem Gipfel führten. Er trug Anzug und Krawatte und hielt einen ledernen Diplomatenkoffer in der Hand.
Auf jeder der fünf Terrassen blieb er einen Augenblick stehen und sah sich die makabren steinernen Friese an, mit denen die Wände geschmückt waren. Menschliche Gesichter lugten aus den weitgeöffneten Schlangenmäulern, und Adler hielten herausgerissene menschliche Herzen in ihren Schnäbeln. Er ging weiter, kam an einem Altar vorbei, dessen Steinmetzarbeiten Totenschädel und gekreuzte Knochen zeigten – Symbole, die in späteren Jahrhunderten von den Piraten der Karibik übernommen worden waren.
Als er endlich die Spitze der Pyramide erreichte und sich umsah, schwitzte er stark. Er war nicht allein. Zwei Männer traten vor und durchsuchten ihn mit groben Händen. Sie deuteten auf seinen Koffer. Gehorsam öffnete er ihn, und die Männer durchstöberten den Inhalt. Als sie keine Waffen fanden, zogen sie sich leise an den Rand der Tempelplattform zurück.
Rivas entspannte sich und drückte auf einen verborgenen Knopf am Griff des Koffers. Ein kleines Tonbandgerät, das im Innern des Deckels verborgen war, fing an sich zu drehen.
Kaum eine Minute war vergangen, als sich eine Gestalt aus dem Schatten der mächtigen Steinfiguren löste. Der Mann war in eine bodenlange weiße Robe gekleidet. Er hatte langes Haar, das am Hinterkopf zusammengebunden war und an einen Pferdeschweif erinnerte. Die Füße waren unter der Robe verborgen, doch das Mondlicht enthüllte Armbänder aus Gold, die mit Türkisen besetzt waren.
Er war klein, und das glatte ovale Gesicht ließ auf indianische Herkunft schließen. Die dunklen Augen musterten den hochgewachsenen, hellhäutigen Mann, der vor ihm stand, und registrierten den eigenartig unpassend wirkenden dunklen Anzug. Dann verschränkte er die Arme und sprach eigenartige Worte, die beinahe lyrisch klangen.
»Ich bin Topiltzin.«
»Mein Name ist Guy Rivas, Sondergesandter des Präsidenten der Vereinigten Staaten.«
Rivas hatte einen älteren Mann erwartet. Es war zwar schwierig, das Alter des mexikanischen Messias zu schätzen, doch er sah nicht älter aus als dreißig.
Topiltzin deutete auf eine niedrige Mauer. »Wollen wir uns nicht setzen, solange wir uns unterhalten?«
Rivas nickte dankbar und nahm Platz. »Sie haben einen höchst ungewöhnlichen Ort gewählt.«
»Ja, ich hielt Tula für geeignet.« In Topiltzins Stimme schwang plötzlich ein verächtlicher Tonfall mit. »Ihr Präsident hatte Bedenken, in aller Öffentlichkeit mit mir zu verhandeln. Er wollte seine Freunde in Mexiko City nicht in Unruhe versetzen und verärgern.«
So leicht ließ Rivas sich nicht ködern. »Der Präsident bat mich, Ihnen seinen Dank für diese Unterhaltung auszurichten.«
»Ich habe eine höherrangige Persönlichkeit erwartet.«
»Ihre Bedingungen lauteten, daß sie nur mit einem Unterhändler sprechen. Wir haben das so verstanden, daß Sie auf unserer Seite nicht die Teilnahme eines Dolmetschers wünschten. Und da Sie die Unterhaltung weder in Spanisch noch in Englisch führen wollen, gab es unter den höheren Regierungsbeamten nur mich, dem Nahuatl, die Sprache der Azteken, geläufig ist.«
»Sie sprechen sie sehr gut.«
»Meine Eltern sind aus dem Dorf Excampo nach Amerika ausgewandert. Sie haben mich die Sprache gelehrt, als ich noch sehr jung war.«
»Ich kenne Excampo; ein kleines Dorf mit stolzen Bewohnern, die kaum überleben können.«
»Sie behaupten, daß Sie die Not in Mexiko beenden werden. Der Präsident ist sehr interessiert, Näheres über Ihr Programm zu erfahren.«
»Hat er Sie deshalb hergeschickt?« fragte Topiltzin.
Rivas nickte. »Er möchte einen Kommunikationsstrang einrichten.«
Es herrschte Stille, während ein
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