Das Alexandria-Komplott
grimmiges Lächeln über Topiltzins Züge huschte. »Ein gerissener Mann. Aufgrund des wirtschaftlichen Zusammenbruchs meines Landes weiß er, daß meine Bewegung die regierende Partido Revolucionario Institucional aus dem Amt jagen wird, und er befürchtet Spannungen in den Beziehungen zwischen Mexiko und den Vereinigten Staaten. Er setzt also auf beide Seiten.«
»Ich kann die Gedanken des Präsidenten nicht lesen.«
»Er wird bald erfahren, daß es die große Mehrheit des mexikanischen Volkes satt hat, Sklavendienste für die herrschende Klasse und die Reichen zu leisten. Das Volk ist die Täuschungen und die Korruption leid. Es ist müde, in den Slums nach Abfällen zu wühlen. Das Volk wird nicht länger leiden.«
»Dadurch, daß ein Utopia aus dem Staub der Azteken entsteht?«
»Ihre eigene Nation würde gut daran tun, sich der Lebensweise ihrer Gründer wieder zuzuwenden.«
»Die Azteken waren die grausamsten Menschenschlächter Amerikas. Eine moderne Regierung auf der Basis alter, barbarischer Glaubensgrundsätze zu bilden ist …« Rivas hielt inne. Beinahe hätte er ›idiotisch‹ gesagt. Statt dessen nahm er sich zusammen und sagte: »… naiv.«
Topiltzins rundes Gesicht spannte sich, und seine Lippen bewegten sich wie unter einem inneren Zwang. »Sie vergessen, daß die spanischen Konquistadoren unsere gemeinsamen Ahnen abgeschlachtet haben.«
»Dasselbe könnte Spanien von den Mauren behaupten, doch das würde kaum die Wiedereinsetzung der Inquisition rechtfertigen.«
»Was will Ihr Präsident von mir?«
»Nur Frieden und Wohlstand für Mexiko«, erwiderte Rivas standhaft. »Und das Versprechen, daß Sie nicht in Richtung Kommunismus tendieren.«
»Ich bin kein Marxist. Ich lehne den Kommunismus ebenso ab wie er. Im Kreise meiner Anhängerschaft existiert keine bewaffnete Guerilla.«
»Er wird froh sein, das zu hören.«
»Unsere neue aztekische Nation wird groß werden, wenn wir erst einmal die kriminellen, reichen und korrupten Beamten, die gegenwärtige Regierung und die Armeeführer geopfert haben.«
Rivas war sich nicht sicher, ob er recht verstanden hatte. »Sie reden davon, Tausende zu exekutieren.«
»Nein, Mr. Rivas. Ich spreche von Opfergaben für unsere verehrten Götter, Quetzalcoatl, Huitzilopochtli und Tezcatlipoca.«
Rivas blickte ihn an und verstand nicht. »Opfergaben?«
Topiltzin schwieg.
Rivas starrte in das unbewegte Gesicht und wußte plötzlich Bescheid. »Nein!« brach es aus ihm heraus. »Das können Sie doch nicht im Ernst meinen.«
»Unser Land wird wieder seinen aztekischen Namen Tenochtitlan tragen«, fuhr Topiltzin unbewegt fort. »Wir werden ein religiöses Staatswesen werden. Nahuatl wird die offizielle Landessprache. Das Bevölkerungswachstum wird mit entschiedenen Maßnahmen unter Kontrolle gebracht. Die ausländische Industrie wird in das Eigentum des Staates übergehen. Nur im Lande Geborenen wird erlaubt werden, innerhalb seiner Grenzen zu leben. Alle übrigen werden des Landes verwiesen.«
Rivas war erschüttert. Sein Gesicht war blaß geworden, und er hörte stumm zu.
Topiltzin fuhr ohne Pause fort: »Von den Vereinigten Staaten dürfen keinerlei Güter mehr geliefert werden, und Sie werden auch unser Öl nicht mehr erwerben können. Unsere Schulden bei den Banken in aller Welt werden für null und nichtig erklärt, jeder ausländische Besitz konfisziert. Ich fordere auch unsere Ländereien in Kalifornien, Texas, New Mexico und Arizona zurück. Um diese Besitzkorrektur zu erzwingen, werde ich Millionen meines Volkes über die Grenze strömen lassen.«
Topiltzins Drohungen waren einfach lächerlich. Rivas' konfuses Gehirn konnte die schrecklichen Konsequenzen gar nicht erfassen.
»Das ist absoluter Unsinn«, sagte Rivas verzweifelt. »Mit solch absurden Forderungen wird sich der Präsident gar nicht auseinandersetzen.«
»Er wird nicht glauben, was ich sage?«
»Das würde kein vernünftiger Mensch auf der ganzen Welt tun.«
In seiner Erschütterung war Rivas einen Schritt zu weit gegangen.
Topiltzin erhob sich langsam, mit starren Augen. Er hatte den Kopf gesenkt und sagte mit tonloser Stimme: »Dann muß ich ihm eine Botschaft schicken, die er verstehen wird.«
Er hob die Hände über den Kopf und streckte die Arme zum Himmel empor. Wie auf ein Zeichen erschienen vier Indianer in weißen Umhängen, die am Hals zusammengehalten wurden. Sonst waren sie unbekleidet. Sie näherten sich von allen Seiten und überwältigten Rivas, der vor
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