Das Alexandria-Komplott
gehört, daß die Sachen tatsächlich fortgeschafft wurden.«
»Darauf geht Rufinus weiter unten ein«, erklärte Redfern. »Die Beschreibung der Ladung, die die Serapis an Bord hatte, folgt gegen Ende des Berichts.«
Pitt warf dem Marinearchäologen einen ungeduldigen Blick zu, setzte sich wieder und wartete.
»Auf der nächsten Tafel erwähnt Rufinus kleinere Reparaturarbeiten, die am Schiff ausgeführt wurden, geht auf Gerüchte ein und schildert Neu-Karthago, das heutige Cartagena in Spanien, aus dem Blickwinkel des Besuchers. Komischerweise äußert er hinsichtlich der weiteren Reise keinerlei Befürchtungen mehr. Er erwähnt nicht einmal das Datum, an dem die Flotte ausgelaufen ist. Doch der springende Punkt ist die Zensur. Hört euch mal den nächsten Abschnitt an.
Heute nahmen wir Kurs auf das Große Meer. Die schnelleren Schiffe hatten die langsameren ins Schlepp genommen. Ich kann nicht mehr schreiben. Die Soldaten halten Wache. Auf strengen Befehl von Junius Venator darf kein Bericht über die Reise aufgezeichnet werden.«
»Genau an dem Punkt fingen wir an, den Rand des Puzzles zusammenzusetzen«, murrte Pitt. »Der mittlere Teil fehlt.«
»Es muß noch mehr dastehen«, insistierte Lily. »Ich weiß, daß ich nach diesem Teil des Berichts noch mehr abgeschrieben habe.«
»Das haben Sie«, bestätigte Redfern und ordnete die Seiten. »Rufinus nimmt den Faden elf Monate später wieder auf.«
»Endlich kann ich, ohne Angst vor Bestrafung, mehr von unserer beschwerlichen Reise berichten. Venator, seine kleine Armee Sklaven, Severus und seine Legionäre, die ganzen Mannschaften von den Schiffen wurden von den Barbaren abgeschlachtet. Die Flotte ist verbrannt. Die Serapis entkam nur deshalb, weil mein Mißtrauen Venator gegenüber mich vorsichtig gemacht hat.
Quelle und Gegenstand der Schiffsladungen sind mir jetzt bekannt, und ich kenne auch das Versteck in den Bergen. Geheimnisse wie diese müssen vor Sterblichen bewahrt werden. Ich habe geargwöhnt, daß Venator und Severus beabsichtigten, alle Beteiligten, bis auf wenige vertrauensvolle Soldaten und die Mannschaft eines Schiffes, zu ermorden, um auf diese Weise ihre sichere Heimreise zu gewährleisten.
Ich fürchtete um das Leben meiner Tochter. Deshalb habe ich meine Mannschaft bewaffnet und ihr befohlen, in der Nähe des Schiffes zu bleiben, damit wir beim leisesten Anzeichen von Verrat sofort in See stechen konnten. Aber die Barbaren haben vorher zugeschlagen und Venators Sklaven und die Legion von Severus niedergemetzelt. Unsere Wachen fielen in der Schlacht. Wir kappten die Leinen und legten vom Strand ab. Venator versuchte sich ins Wasser zu retten. Er schrie um Hilfe.
Ich konnte jedoch das Leben von Hypatia und der übrigen Mannschaft nicht aufs Spiel setzen, um ihn zu retten, und entschloß mich deshalb, nicht zu wenden. Angesichts der Strömung wäre dies Selbstmord gewesen.«
Redfern machte eine Pause bei der Übersetzung, dann fuhr er fort: »An diesem Punkt macht Rufinus einen Einschnitt und blendet zur Abfahrt der Flotte von Cartagena zurück.«
»Die Reise von Spanien bis zu unserem Ziel in diesem fremden Land dauerte achtundfünfzig Tage. Das Wetter war gut. Der Wind blies von achtern. Für dieses gnädige Schicksal forderte Serapis ein Opfer. Zwei Matrosen starben an einer mir unbekannten Krankheit.«
»Er muß Skorbut meinen«, vermutete Lily.
»Die Seefahrer im Altertum blieben selten länger als eine oder zwei Wochen auf See«, stellte Pitt klar. »Skorbut trat erstmals auf den langen Seereisen der Spanier auf. Die können aus weiß Gott was für Gründen gestorben sein.«
Lily nickte Redfern zu. »Tut mir leid, daß ich Sie unterbrochen habe. Bitte, fahren Sie fort.«
»Zuerst landeten wir auf einer großen Insel, die von Barbaren bewohnt wurde, deren Aussehen an Skythen erinnerte; doch sie hatten eine dunklere Haut. Sie erwiesen sich als freundlich und halfen willig, die Vorräte der Flotte an Essen und Wasser wieder aufzufüllen.
Wir sichteten noch weitere Inseln, aber das Flaggschiff segelte weiter. Nur Venator wußte, wo die Flotte landen sollte. Zuletzt erreichten wir eine öde Küste und kamen an eine Flußmündung. Wir blieben fünf Tage und Nächte davor liegen, bis der Wind günstig stand. Dann segelten wir flußaufwärts – manchmal mußten wir rudern –, bis wir die Hügel Roms erreichten.«
»Die Hügel von Rom?« wiederholte Lily abwesend.
»Er muß es als Anspielung verstanden haben«, vermutete
Weitere Kostenlose Bücher