Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel
Kreis?«
»Keine Ahnung. Ist bloß ein Kreis.« Er trat vor die Leinwand und stellte sich auf Zehenspitzen, um auf die Bilder ganz oben zu deuten. »Das ist das große Gefecht. Jesus als der Messias gegen Satan, das Tier und den falschen Propheten. Ratet mal, wer gewinnt?«, fragte er und lachte.
»Er jagt mir Angst ein«, flüsterte Madeline.
111
Roberts Schreibtisch lag unter Dokumenten und ungeöffneter Post vergraben. Er griff nach einer FedEx-Sendung aus dem Ausland und riss sie auf.
»Gut gemacht, alter Freund«, murmelte er bei sich, als er die Unterlagen darin durchsah.
Unter ihnen befanden sich mehrere Fotos von Dr. Viviee. Er wies eine wahrhaftig sagenhafte Ähnlichkeit mit seinem Vater auf – sofern es sich um seinen Vater handelte, was Robert bezweifelte. Dann jedoch stieß er auf ein Bild von Viviee als Knabe mit seinem Vater. Robert betrachtete es eingehend und verglich es mit den übrigen Fotos. Es ließ nur den Schluss zu, dass sein Verdacht, Smith Viviee sei lediglich eine verjüngte Version seines Vaters, falsch gewesen war. Er war offenbar doch eine eigene Person.
Dann fand er eine Nachricht, die lediglich besagte: »Noch immer nichts über die Mutter.«
112
Justin und Madeline stiegen aus dem Taxi, bevor es beim Wohngebäude eintraf, damit sie noch ein Stück gehen und sich dabei unterhalten konnten. Mittlerweile kam Justin mit dem Stock wirklich gut zurecht, und die Schmerzen in seinem Knöchel hatten sich weitestgehend gelegt.
Sie hielten Händchen, während sie gingen.
»Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne dich tun würde«, sagte Justin. »Mir fällt niemand sonst ein, mit dem ich über dieses Zeug reden könnte. Es ist alles so verrückt.« Die abendliche Luft war klar und frisch. »Weißt du, irgendwie finde ich Ezra cool, aber auch verdammt eigenartig.«
»Alle Künstler sind ein wenig verschroben. Hat wohl etwas mit der Kreativität zu tun«, meinte Madeline.
»Glaubst du, dass all dieser Kram wahr ist?«
»Ich weiß es nicht«, erwiderte sie. »Wie kann Gott von uns erwarten, gewichtige Entscheidungen zu treffen, wenn unsere Eltern uns nicht mal abends lange wegbleiben lassen?«
»Da hast du Recht.« Justin lachte.
Als sie sich dem Eingang des Gebäudes näherten, fiel ihnen ein Mann auf, der davor stand. Er wandte sich Justin zu, als sie an ihm vorbeigehen wollten.
»Entschuldige«, sagte der Mann, »bist du Justin Cummings?«
»Wer sind Sie?«, gab Justin zurück. Bein näherer Betrachtung erkannte er einen weißen Priesterkragen unter dem langen, schwarzen Mantel des Mannes.
»Ich bin Pater David Consolo.«
Der Name klang vage vertraut, doch Justin konnte ihn nicht einordnen. »Kenne ich Sie?«, fragte er.
»Nein. Ich bin ein alter Freund deiner Großmutter Claire.«
» Pater Consolo? Sie redet nie über irgendwelche Priester ... nein, warten Sie. David. Sie sind David! Sie sind der David, den Oma gekannt hat, als sie jung war!«, rief er aufgeregt.
»Das bin ich wohl, ja.«
»Mann, sie war völlig verrückt nach ihm«, sagte Justin zu Madeline. »Und dann sind Sie weggegangen und wurden Priester. Sie wird völlig aus dem Häuschen sein, Sie zu sehen. Aber worauf warten Sie? Warum sind Sie nicht raufgegangen?«
»Ich war schon früher hier, aber sie hat nicht abgehoben, als der Pförtner oben anrief. Er meinte, sie schliefe wahrscheinlich, du würdest aber bald nach Hause kommen. Also habe ich gewartet.«
Justin verspürte freudige Erregung. Vielleicht würde ein Wiedersehen mit Pater David seine Großmutter aus ihrem merkwürdigen Verhalten reißen.
»Sie wird so aufgeregt sein, Sie ...« Bevor Justin den Satz beenden konnte, begann sich in seinem Kopf alles zu drehen, als würde er in einen Strudel gezogen. Ein lautes Winseln ertönte, dann fegte etwas mit einem Zischlaut an seinem Gesicht vorbei ... und er vernahm ein schreckliches Geräusch, ein feuchtes Platschen.
»O mein Gott!«, kreischte Madeline, als Blutstropfen wie winzige Nadeln auf ihren Arm spritzten. Mit einem Mal schrie, weinte und zitterte sie unkontrollierbar. Der Klang ihrer Stimme holte Justin in die Gegenwart zurück. Ein Tropfen warmer Flüssigkeit benetzte seine Wange. Er rieb mit der Hand darüber und erblickte einen roten Streifen an seinen Fingern. Überall auf dem Bürgersteig prangte Blut, und ein paar Schritte entfernt, direkt unter dem Fenster seiner Großmutter, lag ein kleiner Kadaver.
»Was ist los?«, brüllte Max, der aus der Lobby gerannt kam. Justin packte Madeline
Weitere Kostenlose Bücher