Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel
und zog sie dicht an sich. Er begann zu schluchzen. Pater David ging zu der grausigen Masse – dem durch die Wucht des Aufpralls geplätteten und entstellten Körper eines kleinen Tieres. »Sieht aus wie ein Hund«, sagte er.
Justin wusste bereits, was Max aussprach. »Das ist Natasha!« Über die Wangen des Jungen strömten Tränen, zugleich jedoch spürte er, wie Wut in ihm aufstieg.
Max hatte Natashas Halsband und Marke erkannt. »Es tut mir so leid«, sagte er. »Das ist schrecklich. Ich kann mir nicht vorstellen, wie ...«
In dem Moment stieg Claire aus dem Aufzug.
»Was ist passiert?«, verlangte Justin von ihr zu erfahren. »Das ist dein Fenster, das dort oben offen steht, Oma – dein Fenster ! Sag mir, was passiert ist!«
»Es war ein Unfall, Justin. Sie ist rausgefallen«, erwiderte Claire. »Ich habe noch versucht, sie zu schnappen, als ich sie auf dem Fenstersims sah, aber es war zu spät. Sie ist abgerutscht.«
»Seit wann klettert Natasha auf Fenstersimse? Und wie soll sie überhaupt raufgekommen sein?«
»Justin!«, stieß Madeline hervor. »Es war ein Unfall. Rede nicht so mit deiner Großmutter.«
»Ich hatte meinen Stuhl neben dem Fenster stehen«, sagte Claire. »Woher sollte ich wissen, dass sie raufklettern würde?«
»Ich glaube dir nicht«, gab Justin zurück. Er konnte kaum glauben, welche Worte aus seinem Mund drangen. Wie konnte er annehmen, dass seine Großmutter zu so etwas fähig sein würde?
Er ertappte sich dabei, wie er Pater David anstarrte. Tiefe Falten zerfurchten dessen Gesicht, doch seine Augen schienen zu verstehen, was Justin empfand. Dann schwenkte Justin den Blick auf seine Großmutter, die Pater David ebenfalls ansah.
»Wer sind Sie?«, fragte sie, doch Justin erkannte, dass sie genau wusste, wen sie vor sich hatte.
»Ich bin’s, Claire. David. David Consolo.«
»Was willst du?«
»Ich habe dich im Fernsehen gesehen. Da ich gerade in der Stadt war, musste ich einfach herkommen, um dich zu sehen.«
»Das hast du ja jetzt. Also verschwinde wieder.«
»Würdest du mit mir beten – für dein geliebtes Haustier, deine Familie, dich selbst?«
Claire wandte sich abrupt um und steuerte wieder auf den Aufzug zu. »Bleib mir vom Leib.«
»Wow!«, entfuhr es Justin. »Ich habe dir doch gesagt, Madeline, sie ist nicht mehr dieselbe. Ich werde mit Ihnen beten, Pater David.«
Max holte eine Kunststoffplane, breitete sie über Natashas Kadaver aus und brachte Madeline ein paar feuchte Papiertücher, damit sie sich das Blut vom Arm wischen konnte.
»Ich rufe deine Mutter an«, meinte Max schließlich. »Das wird sie bestimmt erfahren wollen.«
Pater David sprach mit Justin und Madeline ein Gebet über Natashas Körper.
»Kommen Hunde in den Himmel?«, fragte Madeline.
»Ich wüsste nicht, weshalb es dort keinen Platz für alle Geschöpfe Gottes geben sollte«, erwiderte der Pater.
Als Justin dem Mann in die Augen sah, begann ein weißes Leuchten, den Priester zu umgeben, bis es ihn völlig einhüllte.
»Was ist denn los, Justin?«, fragte Madeline. »Du hast wieder eine dieser Visionen, nicht wahr?«
Justin stand wie vom Donner gerührt da. Er fühlte sich außerstande, sich zu bewegen. Pater David ergriff seine Hand.
»Fürchte dich nicht. Er hat all das den Weisen und Klugen verborgen, den Unmündigen aber offenbart. Sag mir, was du gesehen hast, junger Mann.«
Max kam wieder heraus. »Jemand von der Ordination eures Tierarztes kommt her, um den Kadaver abzuholen«, verkündete er. »Warum geht ihr nicht nach oben? Hier unten könnt ihr nichts tun. Ich warte, bis sie eintreffen.«
»Ich will im Moment nicht da rauf«, sagte Justin.
»Es wird aber allmählich spät«, erwiderte Madeline. »Pater David, begleiten Sie uns?«
»Selbstverständlich.«
Claire schlief in ihrem Zimmer, als sie oben eintrafen. Sie zogen sich leise ins Wohnzimmer zurück. Anfangs sprach Justin zögernd, dann jedoch sprudelte es aus ihm heraus. Er erzählte Pater David alles; von seinen Befürchtungen über seine Großmutter, von seiner Mutter, von dem Nanochip und von seinen Visionen.
»Glauben Sie mir?«, fragte er schließlich.
»Ja, ich glaube dir. Gott hat schon immer unwahrscheinliche Boten auserwählt.«
»Warum mich? Ich habe nicht darum gebeten. Ich bin doch bloß ein Junge und habe in meinem ganzen Leben nie etwas besonders Gutes getan.«
»Im Angesicht des Ruhmes Gottes wirken wir alle unzulänglich, Justin. Gott hat gesagt, er werde Erbarmen schenken, wem er will,
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