Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel
die Wohnung für sich allein.
Viviee legte den Aktenkoffer aufs Bett und stellte die Flasche auf das Nachtkästchen. Dann ging er zur Bar im Wohnzimmer, um zwei Champagnergläser zu holen. Helene lief unruhig auf und ab. Als er zurückkehrte, ließ er den Korken knallen, schenkte ein und sagte: »Warum ziehst du dich nicht für mich aus, damit ich mir diesen Moment auf ewig einprägen kann?«
»Ausziehen?« Sie wusste, dass sie errötete, konnte es jedoch nicht verhindern.
»Oh, sag bloß, du bist schüchtern. Wir sind beide erwachsen, Helene. Du fühlst dich zu mir hingezogen, und ich mich zu dir. Wir sind im Begriff, einen Bund zu schmieden, für den es kein absehbares Ende gibt. Es ist an der Zeit, dass wir uns vereinen.«
»Also, es ist nicht so, dass ich nicht mit dir schlafen möchte. Keineswegs. Ich weiß nicht, es ist eher die Art, wie du es ausdrückst, so abrupt.«
»Nein, Helene«, entgegnete er. »Ich bin nur ehrlich. Und jetzt, bitte, zieh dich für mich aus.« Er begann, seinen Aktenkoffer aufzuschließen.
So unbehaglich sie sich dabei fühlte, sie spürte zugleich, dass er Recht hatte. Sie waren beide erwachsen, und sie konnte schlafen, mit wem sie wollte.
Langsam legte sie erst ihre Bluse und ihre Hose, dann ihre Unterwäsche ab.
Mit einem ermutigenden Lächeln sah er auf, als sie nackt vor ihm stand und bereitete die Spritze vor.
»Bist du sicher, dass nichts passieren kann, Smith? Ich meine, vielleicht sollte ich noch warten?«
»Worauf? Dass die verheerende Wirkung des Alters noch mehr Tribut fordert?«
»Weißt du, mein Sohn ist deswegen wirklich aufgebracht. Er will nicht, dass ich es tue. Er findet, dass sich meine Mutter irgendwie verändert hat, und fürchtet, dass es ein Problem geben könnte, von dem du vielleicht noch nichts weißt.«
»Ich habe dir doch gesagt, dass anfangs geringfügig launenhafte Verhaltensweisen auftreten können. Es dauert eine Weile, bis die Technologie mit dem Körper verschmilzt. Du hättest ihm nichts davon erzählen sollen.«
»Aber was passiert, wenn solche launenhaften Verhaltensweisen, wie du es nennst, auftreten, während ich auf Sendung bin?«
»Werden sie nicht. Hör auf, auf deinen Sohn zu hören. Er ist ein Kind und weiß gar nichts. Sag ihm, er soll sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern.«
»Smith!«, gab Helene verärgert zurück. »Er ist doch nur besorgt. Für ein Kind ist es schwierig, nachzuvollziehen, was Altern und Tod bedeuten.«
»Und was willst du mir damit sagen? Dass ihm lieber wäre, seine Großmutter sei tot? Ist das der Dank, den ich erhalte? Ich rette der Frau das Leben, gebe dir die Exklusivrechte an der Geschichte, bringe deine Sendung groß raus, und dein Kind stellt die Integrität meiner Arbeit in Frage? Willst du auf einen Vierzehnjährigen mit übersteigerter Fantasie hören oder auf einen Mann, der hunderte Menschen von als unheilbar geltenden Krankheiten geheilt hat?«
»Hunderte?«
»Ja, Hunderte.«
»Ich weiß nie, was ich bei dir glauben soll, Smith. Es kommt immer wieder ein neues Stück zu der Geschichte dazu. Und mein Sohn hat keine übersteigerte Fantasie.«
»Glaub daran«, erwiderte er nur und hielt die Spritze hoch.
Helene erhaschte im Spiegel einen Blick auf ihren nackten Körper. Sie war groß und schlank und hatte immer recht gut darauf geachtet, in Form zu bleiben. Zumeist ging sie zu Fuß, und sie trainierte, so oft sie konnte, mit einem persönlichen Betreuer, dennoch sah sie nun nur ihren schlaffen Hintern und ihre hängenden Brüste. Trotz tausender Liegestütze wirkten ihre Arme kraftlos, und selbst die besten Behandlungen konnten sie nicht völlig von ihrer Cellulitis befreien.
Und daneben stand Smith Viviee, vollständig angezogen, ihr zugewandt, mit einer Spritze in der Hand. Irgendwie haftete der Szene etwas Unheimliches an. Sie sah ihm in die Augen und erblickte darin einen Teil ihrer selbst, den anzuerkennen sie sich weigerte.
»Weißt du, vielleicht warte ich wirklich noch«, sagte sie. »Vielleicht bin ich einfach noch nicht bereit.«
»Gut.« Er öffnete das kleine Fach, aus dem er die Spritze entnommen hatte, und legte sie zurück.
Sie ging zu ihm und streichelte ihm sanft das Haar. »Danke für dein Verständnis. Ich bin bloß ein wenig nervös.«
»Kein Problem.«
Helene versuchte, ihn zu küssen, doch er wandte sich ab.
»Ich möchte trotzdem mit dir zusammen sein«, sagte sie. »Ich bin verrückt nach dir. Wir können ein phänomenales Team sein, davon bin ich
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