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Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel

Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel

Titel: Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Valoppi
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er das Konzentrat gab, gefolgt von vier Teilen kaltem Evian . Mit einem Holzlöffel rührte er um, beobachtete den dabei entstehenden, orangefarbenen Strudel und schenkte sich ein Glas ein.
    Als er einen Schluck trank und der kalte Saft seine Kehle hinabrann, spürte er, wie ein vertrautes Gefühl durch seinen Kopf schoss – der Schmerz eines vergessenen Augenblicks, eines Augenblicks aus einem Traum. Er schaute zur kahlen Wand und stellte fest, dass sie transparent war.
    Robert blickte durch ein von Frost überzogenes Fenster auf einen schneebedeckten Hinterhof in Long Island. Ein Kaninchen hatte eine Spur durch einige Sträucher in der Nähe gezogen. Robert machte gerade Orangensaft mit Wasser aus einer halb gefrorenen Leitung. Das Telefon klingelte – es war Maria. Sie war gerade mit dem Auto unterwegs. »Nein«, bat er sie. »Fahr heute nicht in die Stadt. Wir nehmen diese Terrordrohungen sehr ernst.« Sie aber lachte nur bei dem Gedanken, dass sie ein Ziel für Terroristen sein könnte. »Das ist mir sonnenklar, Robert«, erwiderte sie. »Du denkst, die Terroristen suchen sich ein paar Weiber beim Mittagessen als Ziel aus. Das hat etwas Freud’sches. Trotzdem werde ich nicht jedes Mal aufhören, mein Leben zu leben, wenn jemand eine Terrordrohung ausgibt. Auch wenn wir ein Haus in den Hamptons haben, bleiben wir trotzdem New Yorker, und New Yorker lassen sich nicht einschüchtern.« Sie lachte, und ein Rauschen drang über das Mobiltelefon. »Wir sind zäh.« Dann wurde die Verbindung unterbrochen, als sie in den Tunnel Richtung Stadtmitte fuhr. Eine Stunde später schlug der Selbstmordattentäter zu und brachte neben sich ein paar weitere Menschen um. Für eine Terrororganisation stellte es ein nachgerade lachhaft kleines Unterfangen, aber Robert wusste, dass es ein Verzweiflungsakt gewesen war. Er leistete als Polizeichef hervorragende Arbeit, weshalb sie keine Chance gehabt hatten, einen ihrer größeren Pläne umzusetzen. Seine Frau starb, weil er die Stadt so gut beschützte. Das war die unerträgliche Ironie daran.
    Es war der Tag des Versöhnungsfestes, der ein Tag des Fastens und der Buße sein sollte, an dem man Gott um Vergebung für ihm gegenüber gebrochene Versprechen bat. Was Robert jedoch beinah zerbrach, war das gebrochene Versprechen Maria gegenüber.
    Er hielt sich die Hand an die Stirn. »Gott, es ist so hart gewesen. Ich vermisse dich so sehr, Maria.« Mit seinem Schmerz allein in seiner Wohnung schluchzte er laut auf. Er weinte noch immer, als er den Orangensaft austrank und zur Eingangstür ging, um die Zeitungen zu holen.
    Mit wässrigen Augen las er die Schlagzeile: U M S CHLAG M ITTERNACHT VERSCHWUNDEN. H EILIGE H AZEL L ÖST SICH IN L UFT AUF.
    Darunter befand sich ein ganzseitiges Foto der Frau, wie sie vor der Statue der Jungfrau Maria kniete. Die Bildüberschrift lautete: Sie betete, als ich wegging. Als ich zurückkam, war sie verschwunden!
    Die Heilige Hazel war in Trance gewesen. Eine der Nonnen hatte neben ihr gebetet, dann war sie aufgestanden, um einen Schluck Wasser trinken zu gehen. Dabei hatte sie auf die Uhr gesehen und sich gefragt, wie lange Hazels Trance diesmal anhalten würde. Es war kurz vor Mitternacht gewesen. Als sie zurückkehrte, war die Heilige Hazel verschwunden.
    Skeptiker vermuteten, sie hatte ihren Schwindel abgezogen, so lange es ging und sich dann bei der ersten Gelegenheit klammheimlich abgesetzt. Die Statue der Jungfrau Maria war zurückgeblieben, allerdings flossen keine der wundersamen Tränen mehr. Die Kollekte und die Spenden hatte nie jemand gezählt, somit bestand keine Möglichkeit zu überprüfen, ob sie einfach Geld entwendet hatte und damit geflüchtet war.
    »Ich glaube, Gott hat sie zu sich geholt«, meinte die Nonne. »Eine andere Erklärung habe ich nicht.«

119
    »Bist du sicher, dass du deinen Stock nicht nehmen willst?«, fragte Madeline.
    »Ich bin sicher«, erwiderte Justin, als sie sich den Weg zur Straßenecke bahnten. »Ich will nicht schwach wirken. Mein Knöchel tut kaum noch weh, außerdem werde ich ohnehin die meiste Zeit sitzen.« Er hinkte zwar nur noch leicht, aber wenn er zu schnell zu gehen versuchte, schossen immer noch Schmerzen sein Bein empor.
    Sie trafen sich mit Sean und Whiley. Zusammen winkten sie ein Taxi heran und ersuchten den Fahrer, sie in die Bronx zu bringen.
    Als sie Manhattan verließen, sprach Madeline ein stummes Gebet.
    Sie fuhren an Lebensmittelläden verschiedener ethnischer Gruppierungen vorbei,

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