Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel
der Kontrolle beraubt. »Was ist, wenn ein Problem auftritt? Es gibt doch manchmal Probleme, oder? Wie finden wir Sie, wenn so etwas geschieht?«
»Ich gebe Ihnen eine Telefonnummer, unter der Sie mich rund um die Uhr erreichen können, ganz gleich, wo ich mich gerade aufhalte«, antwortete er.
Damit zog er aus der Seitentasche seiner Hose eine Visitenkarte hervor und reichte sie Helene in einer flüssigen Bewegung.
»Was für Risiken bestehen?«, wollte Helene wissen. »Wie sieht es mit Nebenwirkungen aus? Es muss Risiken geben. Und Nebenwirkungen treten immer auf.«
»So wenig Vertrauen«, sagte er in einem Tonfall, der erkennen ließ, dass er allmählich die Geduld verlor. »Risiken sind so gut wie nicht vorhanden, aber gänzlich ohne Risiken kommt nichts aus. Es gibt eine kleine Minderheit von Menschen, von denen die Technologie abgestoßen wird. Unserer Ansicht nach handelt es sich um eine sehr kleine Minderheit, und wir wissen nicht, warum es geschieht.«
»Und was passiert in diesem Fall?«, fragte Claire.
»Bisher ist es nur einmal vorgekommen. Ein paar Tage nach der Injektion wurde der Chip vom Körper der Patientin absorbiert, und sie starb.«
»Der Chip hat die Patientin getötet?«, rief Helene. Da war die Fliege in der Suppe. Sie hatte gewusst, dass es eine geben musste.
»Nein. Die Patientin ist dem Krebs erlegen. Unter Umständen hat die Technologie den Prozess beschleunigt. Wir wissen es nicht.« Viviee holte Luft, setzte kurz ab und fuhr in sanfterem Tonfall fort. »Man hätte Ihnen das am Telefon erklären sollen, Claire. Vielleicht sollten Sie noch warten. Ich war der Annahme, Sie wären bereit. Aber womöglich sollten Sie noch ausgiebiger darüber nachdenken und mit Ihrer Familie darüber reden.« Abermals ergriff er Claires Hand. »Bitte, ich will nur das Beste für Sie«, sagte er.
»Bereiten Sie alles vor«, erwiderte Claire. »Achten Sie nicht auf meine Tochter. Sie ist Journalistin. So betrachtet sie die Dinge nun mal. Können wir nur noch warten, bis mein Enkel eintrifft?«
»Wann sollte er denn kommen?«
»Eigentlich bereits vor einer halben Stunde. Ich bin sicher, er steckt wegen des Regens im Verkehr fest. In New York bekommt man nie ein Taxi, wenn es regnet.«
»Lassen Sie mich alles vorbereiten, und dann sehen wir, ob er rechtzeitig hier ist. Ich habe in 45 Minuten einen Termin in der Innenstadt. Es ist wichtig, dass ich pünktlich dort erscheine.«
Helene glaubte ihm nicht.
16
Als die Regentropfen zu einem schweren Guss anschwollen, rollte endlich ein Taxi an den Randstein der First Avenue. Doch es war offensichtlich, dass fließender Verkehr aussichtslos war. Vor den Vereinten Nationen fand eine Protestkundgebung statt, und die 50th Street war gesperrt, um Würdenträger vom Waldorf zur UNO zu bringen. Falls der Präsident gerade aufbräche, steckte Justin in der Klemme. Seine einzige Chance, es rechtzeitig ins Krankenhaus zu schaffen, bestand darin, zu laufen.
Justin rannte dreißig lange Blocks im Regen. Unterwegs entfernte er die Krawatte und den Blazer und stopfte beides in seinen Rucksack. Was er anbehielt, war triefnass. Seine Hemdzipfel klatschten gegen seine Oberschenkel, als er durch den Krankenhauseingang hetzte.
»Ich muss sofort zu meiner Oma«, rief er dem Wachmann zu, der ihn durchwinkte.
»Langsam«, rief der Mann ihm nach. »Laufen ist hier verboten.«
Jäh verlangsamte Justin die Schritte. Mittlerweile kannte er das Krankenhaus gut und sah erst gar nicht nach, ob der beängstigend langsame Aufzug zufällig bereit wäre. Stattdessen rannte er zwei Stufen auf einmal nehmend in den dritten Stock. Wassertropfen perlten von ihm herab.
Er hatte das Zimmer seiner Großmutter bereits im Blickfeld. und spürte, wie das Wasser in seinem vom Regen durchtränkten Schuh platschte, als er in einer kleinen, von ihm selbst geschaffenen Pfütze ausrutschte. Hastig wollte er sich aufrappeln, aber der nasse Gummi seiner Sohle fand auf dem polierten Boden keinen Halt. Justin verlor das Gleichgewicht, rutschte neuerlich aus und landete heftig auf dem Boden. Er hörte eine Tragbahre rasch auf sich zurollen. Der Krankenpfleger, der sie schob, rief: »Code Blau! Code Blau!«
Obwohl sich Justin abstieß, gelang es ihm nicht, aus dem Weg zu hasten.
Die untere Ablage der Tragbahre ratterte und klirrte, bis sie halb zu Boden fiel und polternd mitgeschleift wurde. Der Krankenpfleger brüllte immer noch »Code Blau, Code Blau«, während die scharfe Stahlkante weiter über
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