Das Allheilmittel - Valoppi, J: Allheilmittel
Leute, die mitten drinstecken, keine Vorstellung davon, was vor sich geht. Sie haben keinen Strom, zumeist kein Telefon und keine sonstigen Kommunikationsmöglichkeiten. Die Leute vor den Fernsehern hingegen sehen alles aus der Perspektive von Fernsehhelikoptern. Wäre es nicht toll, wenn man immer das große Bild sehen könnte? Aber, wie auch immer, ich muss alles fürs Abendessen vorbereiten. Habt ihr gesehen, dass jemand in diesem Mordfall verhaftet wurde?«
»Das war gerade in den Nachrichten«, erwiderte Justin.
Es klingelte.
»Robert kann uns beim Abendessen bestimmt mehr darüber erzählen«, sagte Helene und eilte zur Eingangstür.
Sie lächelte, als sie Justin sagen hörte. »Wow. Sonst sieht sie nie jemanden zwei Mal hintereinander.«
»Überraschung ...«, begrüßte Robert sie, die Arme voller Tüten. »Ich hoffe, es mögen alle italienische Küche, denn ich habe genug davon dabei, um ganz Sizilien zu ernähren.«
»Wer mag italienisches Essen nicht?«, gab Helene kichernd zurück. »Ich bin selbst gerade erst heimgekommen. Was für ein Tag!« Sie ging voraus in die Küche. »Und ich habe italienischen Wein hier.«
»Oh, den kannst du aufheben. Ich habe eine besondere Flasche, nur für dich. Einer meiner alten Freunde aus Italien hat sie mir geschickt. Angeblich ist es der beste Wein, für den seine dreckigen Füße je Saft aus Trauben gequetscht haben.«
»Klingt appetitlich.«
»In Italien ist das der halbe Spaß. Deshalb sehen sich italienische Gäste immer die Füße ihrer Gastgeber an.«
»Quatsch! Tun sie nicht. So, mal sehen, was wir hier haben.« Sie griff in eine Tüte und begann, Kartons hervorzuholen.
»Du magst viel wissen, aber meine Freunde kennst du nicht«, sagte Robert. »Warst du noch nie bei einer Verkostung, wo der Wein nach alten Socken roch?«
»Igitt!«, rief Justin aus, der auf Krücken in die Küche gehumpelt kam. Madeline folgte dicht hinter ihm. »Jetzt weiß ich, warum ich keinen Wein mag.«
»Ach, und ich dachte, es läge daran, dass du noch nicht alt genug dafür bist«, gab Helene zurück. »Ich Dummerchen.«
55
Robert war bewusst, dass Helene und er sich wie zwei Teenager aufführten, dennoch gelang es ihm nicht, das Dauerlächeln von seinem Gesicht zu verbannen. Es war ihm gelungen, einen ganzen Tag lang nicht an Maria zu denken, und die Falten auf seiner Stirn begannen, sich ein wenig zu glätten.
Fröhlich setzten sie sich zum Abendessen. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so ausgelassen gelacht hatte.
»Wie war dein Tag, Helene?«, erkundigte er sich. Er wollte so aufmerksam wie möglich erscheinen.
»Eigentlich nicht so gut. Justin wurde für eine Weile Bettruhe verordnet, bei der Arbeit ging einiges nicht wie geschmiert, und dazwischen war auch nur Chaos. Eines der Studios hat gerade eine neue Talkshow für die Gemeinschaftsausstrahlung nächsten Herbst eingekauft. Sie wird von ein paar knapp über Zwanzigjährigen moderiert. Es soll eine jüngere, hippere Version meiner Sendung werden.«
»Ist das ein Problem für dich?«, fragte Robert.
»Es demoralisiert meine Leute. Die meisten Märkte konkurieren um dieselben Zeitfenster. Wenn also meine Quoten nur gering sinken und die Käufer die neue Sendung ansprechend finden, könnten wir in echte Schwierigkeiten geraten. Meine Bosse lassen mich das deutlich spüren. Ich brauche gute Zahlen, damit niemand denkt, wir verlieren an Schwung.«
»Sie sind großartig, und Ihre Sendung auch«, meinte Madeline. »Ich kann mir nicht vorstellen, wer Sie ersetzen könnte.«
»Sicher, ich bin gut, aber ich werde älter, während das Publikum immer jünger wird. Und je demoralisierter meine Leute werden, desto mehr zerbrechen sie sich den Kopf darüber, neue Jobs zu finden, statt sich darauf zu konzentrieren, uns zu Siegern zu machen. Es ist ein Teufelskreis.«
»Dann lass es doch so aussehen, als wüsstest du, dass ihr gewinnen werdet«, schlug Justin vor. »Und lass die anderen denken, dass die großen Bosse voll hinter dir stehen.«
»Und wie soll ich das anstellen?«
»Mach, was du immer machst, wenn es gut läuft – kauf ihnen Geschenke.«
»Weißt du, das ist gar keine schlechte Idee. Das würde ihnen zeigen, dass ich zu schätzen weiß, wie hart sie arbeiten, und es würde vermitteln, dass alles gut läuft. Schließlich würde ich keine teuren Geschenke kaufen, wenn ich dächte, es ginge alles den Bach runter.«
Robert nickte.
»Aber was soll ich kaufen? Für die Frauen kenn ich da ein
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