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Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus

Titel: Das Alphabethaus - Adler-Olsen, J: Alphabethaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Vetter in Bad Godesberg untergebracht. Ich war schon fast sieben, als sie mich hierher nach Freiburg holte.«
    »Hatte sie hier Arbeit gefunden?«
    »Nein. Aber einen Mann.« Das Wort »Mann« begleitete sie mit einem nicht besonders heftigen, aber durchaus wirkungsvollen Schlag auf den Tisch. Mariann Devers hätte sich in derselben Situation einen anderen Ausweg gesucht, so viel war klar. Ihr Lächeln war nicht freundlich.
    »Hat sie hier in Freiburg geheiratet?«
    »Allerdings, ja. Leider Gottes, kann ich nur sagen. Sie hat hier geheiratet, und hier ist sie auch gestorben. Nach einem erbärmlichen Leben, wenn Sie mich fragen. Einem jämmerlichen Leben voller Enttäuschungen und Psychoterror. Aber sie hatte es nicht besser verdient, schließlich hat sie den Mann nur seines Geldes und seiner Position wegen geheiratet. Ihre Familie hatte nach dem Krieg nichts mehr. Damit kam sie nicht zurecht. Aber dieser Mann hat sie wirklich schlecht behandelt.«
    »Und Sie?«
    »Mich konnte der mal am Arsch lecken!« Mariann Devers’ plötzliche Ausfälligkeit überraschte Bryan. »Mich hat derScheißkerl kein einziges Mal angefasst. Das hätte er nur mal versuchen sollen!«
     
    Das Fotoalbum war leicht zerfleddert. Auf den vergilbten, steifen Seiten klebten Bilder einer jungen Frau, kaum älter als Bryans Tochter Ann, die mal lustig hinter einem Baum hervorlugte und sich mal auf einer blühenden Almwiese räkelte. Die junge Frau auf den Fotos strahlte eine schier grenzenlose Unbekümmertheit aus. Gisela Devers hatte ihrer Tochter erzählt, die Bilder seien im glücklichsten Sommer ihres Lebens aufgenommen worden.
    Im hinteren Teil des Albums präsentierte sich Gisela Devers beneidenswert einträchtig an der Seite ihres damaligen Mannes. Stolz zeigte Mariann Devers auf den gut aussehenden Mann in Uniform, der ihr Vater war.
    »Sie sehen beiden Eltern sehr ähnlich, Miss Devers, wissen Sie das?«
    »Ja, das weiß ich, Mr.   Scott. Und ich weiß auch, dass ich jetzt wieder zur Arbeit muss. Meine Mittagspause ist gleich zu Ende. Ich möchte nicht unhöflich sein, aber Sie haben doch wohl gesehen, was Sie sehen wollten, oder?«
    »Selbstverständlich. Entschuldigen Sie, Miss Devers. Tut mir leid, dass ich Sie aufgehalten habe. Es ist nur   – hätten Sie wohl ein Foto von Ihrer Mutter nach dem Krieg? Ich möchte zumindest gefragt haben, bevor ich gehe. Sie wissen ja, was man sich so alles vorstellt   …«
    Sie zuckte mit den Achseln und kniete sich vor das Bett, unter dem sie einen Korb hervorzog. Der Staubschicht auf dem Weidengeflecht nach zu urteilen hatte sich Mariann Devers lange nicht mehr mit dem heillosen Durcheinander von Fotos darin befasst. Für Bryan waren die Bilder die reinste Zeitreise: die Frisuren, die Posen, die Kleidung. Dinge, die sich seither dramatisch verändert hatten.
    »Hier ist sie.«
    Das Foto, das Mariann Devers ihm reichte, zeigte eine verblühte Frau. Eine ganz gewöhnliche verblühte Frau. Ihre Tochter blickte Bryan über die Schulter. Vermutlich hatte sie das Bild seit Jahren nicht angesehen. Auf dem Schnappschuss war Gisela Devers leider nur unscharf zu sehen. Sie streckte die Hände zu den Seiten aus, als riefe sie dem Fotografen etwas zu, während die Menschen um sie herum ihr zulächelten. Bis auf das reizende kleine Mädchen, das zwischen den Beinen der Erwachsenen bäuchlings im Gras lag und Mariann Devers sein musste. Über ihr stand mit verschränkten Armen ein Mann, der als Einziger in eine ganz andere Richtung sah. Als interessierten ihn die anderen nicht. Nicht einmal das kleine Mädchen zwischen seinen Füßen schien ihn etwas anzugehen. Der Mann war auf den ersten Blick attraktiv, er wirkte selbstbewusst und so, als genösse er hohes gesellschaftliches Ansehen. Sein Gesicht konnte Bryan kaum erkennen, weil das Foto an der Stelle zerkratzt war. Vermutlich hatte Mariann Devers ihrer Abneigung dem Stiefvater gegenüber so Ausdruck verliehen. Bryan wurde es mulmig. Aber nicht deswegen. Nein, ihn beunruhigte etwas anderes. Irgendetwas an dem Mann kam ihm bekannt vor.
    Mariann Devers bedauerte, Bryan kein besseres Foto von ihrer Mutter zeigen zu können. Dieses eine Bild sei das einzige gewesen, das sie dem Mann ihrer Mutter hatte abluchsen können, als Gisela Devers endlich erlöst war.
    »Ihr Stiefvater hatte damals wohl Rang und Namen in Freiburg?« Sie nickte unbeteiligt. »Dann müsste es doch auch Bilder von offiziellen Anlässen geben, oder? Auf diesem Foto kann ich Ihre Mutter

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