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Das alte Haus am Meer

Das alte Haus am Meer

Titel: Das alte Haus am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wentworth
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Augenblicklich war er hellwach. Normalerweise schlief er von dem Augenblick, in dem sein Kopf das Kissen berührte, bis sieben Uhr durch. Wenn er zwischendurch aufwachte, dann, weil etwas ihn weckte. Er stützte sich auf den Ellbogen und lauschte auf das, was ihn geweckt haben musste. Er warf die Decke beiseite und ging barfuß zur Tür zwischen seinem und Lisles Zimmer. Nachdenklich öffnete er die Tür im Dunkeln, blieb stehen und sah ins Zimmer. Das einzige Licht kam durch das Fenster mit den offenen Vorhängen, ein vages Halblicht, denn eine Wolke war vor den Mond gezogen. Das Bett, tief im Schatten, sah aus wie eine dunkle Insel im nebligen Meer. Aus der Dunkelheit kam Lisles Stimme, die jammervoll verängstigt seinen Namen rief:
    »Dale … Dale … es kann nicht Dale gewesen sein …« Er schloss die Tür hinter sich und stellte sich ans Fußende des Bettes zwischen die beiden schwarzen Bettpfosten. Jetzt konnte er sie schemenhaft erkennen, wie sie auf den hoch aufgetürmten Kissen lag. Hastig und kaum hörbar murmelte sie:
    »Sie brauchen mir Ihre Karte nicht zu geben, weil ich sie nicht brauchen werde. Ich kann wirklich nicht … wegen Dale … Dale würde es nicht wollen. Und es kann nicht Dale gewesen sein. Das verstehen Sie doch, oder? Es kann einfach nicht Dale gewesen sein. Ich stecke Ihre Karte einfach in meine Tasche, aber Sie müssen nicht glauben, dass ich irgendetwas tun könnte, denn das kann ich nicht.« Ihre Hände griffen ins Leere. »Sie hat gesagt, es war ein Glück, dass Lydia starb. Das hat sie gesagt, ›der Unfall kam sehr gelegen für Dale‹ …«
    Sein Name kam nur noch zitternd über ihre Lippen. Sie drehte sich in den Kissen. Er hörte sie nach Luft schnappen. Halb kauernd richtete sie sich in die Höhe. »Ich hatte auch fast einen Unfall. Sie hat gesagt, vielleicht würde ich ja auch einen Unfall haben wie Lydia … Es kann nicht Dale gewesen sein …« Und wieder verfiel sie in rasches Murmeln: »O nein, nein, es kann nicht Dale gewesen sein.«
    Dale lauschte angespannt. Als sie still war, trat er an eine Kommode zwischen den Fenstern und öffnete die obere rechte Schublade. Lisle hatte so viele Taschen. Sie hatte ein graues Flanellkostüm angehabt, als sie zu den Cranes fuhr. Also eine graue Tasche.
    Er zog die ganze Schublade heraus, trug sie in sein Zimmer und machte das Licht an. Die graue Tasche war in der hinteren Ecke. Er öffnete sie und ging den Inhalt durch: Taschentuch, Lippenstift, Rouge- und Puderdose, Schlüssel. In einem Seitenfach ein Foto von ihm und eine Visitenkarte. Er zog sie heraus und drehte sie zum Licht. Der Name auf der Karte sagte ihm nichts, aber er sah sie lange an.
    MISS MAUD SILVER 15 Montague Mansions West Leaham Street S.W. Privatdetektivin
    Nach einiger Zeit steckte er die Visitenkarte zurück in die Tasche und legte die Tasche wieder in die Schublade. Das Zimmer war sehr still, als er es wieder betrat. Er schob die Schublade wieder an ihren Platz, lauschte einen Moment in die Stille und ging dann näher zum Bett. Sie bewegte sich, rang zwischen einem Schluchzen und einem Stöhnen nach Luft und wachte auf. Sie verspürte einen Moment der Panik, weil es dunkel im Zimmer war und weil jemand da war – leise, unbeweglich. Und dann, als er ihren Namen sagte, verschwand die Panik und Freude erfüllte sie.
    Sie sagte mit warmer Stimme: »O Liebling, du hast mich erschreckt«, und er kam, kniete sich neben sie und nahm sie in die Arme.
    » Du hast mich erschreckt. Du hast im Schlaf geschrien. Was war, hast du schlecht geträumt?«
»O ja, ein schrecklicher Traum. Aber das ist jetzt egal.« Alles war egal, wenn Dale bei ihr war – wenn Dale lieb
    mit ihr war. Sie träumte nicht mehr, und als sie aufwachte, schien die Sonne durch die Fenster, und Dale schenkte Tee ein. Wenn es je eine Verstimmung zwischen ihnen gegeben hatte, so war sie verschwunden, als hätte sie nie existiert. Er wollte nach dem Frühstück zum Flugplatz fahren; Fliegen war im Moment seine große Leidenschaft. Darüber redeten sie und darüber, was für ein Glück es war, dass er das Grundstück dafür zu einem so guten Preis verkauft hatte. Das heißt, die meiste Zeit redete Dale, und Lisle war glücklich, weil Dale guter Dinge war.
    »Was wohl mein Vater dazu gesagt hätte, dass man aus dem Moorland so einen fantastischen Preis herausholte. Aber wenn es Krieg gibt, dann bekommt man lohnende Subventionen für Weizen, und es wird Krieg geben. Zur Zeit meines Urgroßvaters sah man, wenn

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