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Das alte Haus am Meer

Das alte Haus am Meer

Titel: Das alte Haus am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wentworth
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man dort oben beim Flugplatz mit dem Rücken zum Meer stand, nichts als Weizen ringsum. Schon komisch, wenn das alles wieder käme. Damals entstanden große Vermögen. Dazu wird es leider nicht mehr kommen. Die werden, verdammt nochmal, schon dafür sorgen, dass wir nicht zu viel verdienen.«
    Er saß auf der Bettkante mit zerzausten Haaren und lächelnden Augen. Die gebräunte Haut hob sich von dem blauweiß gestreiften Pyjama ab. Der offene Kragen zeigte einen muskulösen Hals. Sie spürte, wie die alte Heldenverehrung sie wieder überkam. Es war etwas sehr Primitives, und sie schämte sich ein wenig dafür. Dale … Er gefiel anderen Frauen, sie liefen ihm nach. Manche scheuten sich nicht, ihre Gefühle offen zu zeigen. Aber sie konnten ihn nicht haben – er gehörte ihr! Sie war nicht stolz auf diese Gefühle, aber sie kam nicht gegen sie an.
    Er lachte und sagte: »An was denkst du?« Und als sie antwortete: »An dich«, küsste er sie, und den Arm halb um sie gelegt, fuhr er fort:
    »Weiter so, denn ich will mit dir reden.« Sie fragte: »Worüber?« Und ihr wurde kalt ums Herz, als er erwiderte, »Tanfield.«
Dale lehnte sich ein wenig zurück, so dass er sie ansehen konnte. Er ließ die Hand von ihrer Schulter gleiten und legte sie auf ihr Knie.
»Es ist so, ich muss Tatham eine Antwort geben.«
»Ja …« Mehr brachte sie nicht heraus.
Sie hatte das Gefühl, dass ihrer beider Leben von der Antwort abhinge, die Dale in Kürze geben würde. Ging er auf Mr Tathams Angebot ein, verkaufte Tanfield und zog zwei Meilen weiter landeinwärts in das Herrenhaus, dann wären sie frei und glücklich. Aber wenn er es nicht fertig brachte zu verkaufen, dann mussten sie bleiben, und Tanfield würde sie ausbluten, bis sie alte, graue, leblose Gestalten waren, die ein unendliches Gewicht einen unendlichen Berg hinaufschleppten. Sie legte die Hände ineinander und drückte sie zusammen, als versuche sie etwas festzuhalten, das Dale ihr nehmen wollte – nicht nur ihr, sondern ihnen beiden.
Ihr Blick wanderte zu seinem Gesicht und blieb dort, dunkel vor Angst, denn immer, wenn sie über Tanfield redeten, entstand eine Spannung zwischen ihnen, die sich fast bis ins Unerträgliche steigerte. Aber heute sah er ernst aus, er runzelte nicht die Stirn. Er stützte sich auf seine Hand und sagte:
»Es ist ein gutes Angebot. Die meisten Leute würden mich für einen Narren halten, es abzulehnen. Aber du bist nicht wie die meisten, Lisle, du bist meine Frau. Wenn mir ein Sohn hier nachfolgt, dann bist du seine Mutter. Darüber will ich mit dir reden.« Plötzlich änderte sich seine Stimme und brach. »Es ist schwer, es dir begreiflich zu machen. Und ich bin so jähzornig. Ich werde wütend, und dann sage ich Sachen, die dich erschrecken und verletzen; so kommen wir nicht weiter. Aber ich dachte, wir könnten es anders versuchen. Vielleicht kannst du versuchen, meinen Standpunkt zu verstehen.«
Er sah, wie ihr die Farbe aus dem Gesicht wich. Sie schwand dahin und ihre helle Haut wurde weiß. Fast unhörbar sagte sie:
»Ich versuche es.«
Er saß aufrecht und blickte sie nicht an.
»Du magst Tanfield nicht, das hast du deutlich gemacht. Nein, nein, so geht es nicht, so wollte ich nicht anfangen. Es ist so verdammt schwer, es dir zu erklären, und wenn ich nach Worten suche, die dir zeigen, was in mir vorgeht, dann erwische ich die falschen.« Er wandte sich ihr wieder zu.
»Lisle, hilf mir doch, versuch doch, mich zu verstehen.«
Sie sagte: »Ja … ja …«
»Also, es ist so. Wenn etwas so lange in deinem Besitz ist wie Tanfield in unserem, dann gehört es dir nicht. Es ist wie dein Land, du gehörst ihm, es kommt zuerst. Sieh dir die Bilder in der langen Galerie an. Diese Menschen haben alle hier gelebt in ihrer Zeit. Die meisten haben etwas hinzugefügt. Und es gibt sie nicht mehr, keinen von ihnen. Aber Tanfield gibt es, und Tanfield wird noch da sein, wenn es uns nicht mehr gibt. Und wenn wir Söhne haben, dann wird Tanfield auch noch existieren, wenn es sie nicht mehr gibt. Verstehst du denn nicht? Wir sind nicht wichtig, und unsere Kinder sind nicht wichtig. Wir vergehen und sie vergehen, aber Tanfield bleibt.«
Seine Augen glühten und Farbe war in seine Wangen gestiegen.
Lisle starrte ihn gelähmt vor Entsetzen an. Er hatte gesagt: »Versuch mich zu verstehen«, und sie hatte geantwortet, »ich versuche es.« Aber sie musste sich nicht bemühen. Es war ganz leicht zu verstehen, und je mehr sie es verstand, umso entsetzter war

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