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Das alte Haus am Meer

Das alte Haus am Meer

Titel: Das alte Haus am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wentworth
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deutlich, dass Sie Anweisung gegeben haben, Ihr derzeitiges Testament zu vernichten. Fahren Sie so schnell wie möglich in die Stadt und vergewissern Sie sich, dass dies auch geschehen ist. Machen Sie ein provisorisches Testament, in dem Sie alles einer wohltätigen Organisation hinterlassen.«
Lisle blickte sie nicht an. Sie streckte eine Hand aus und ergriff die von Miss Silver. Die Augen auf den beigen Badeanzug gerichtet, fragte sie:
»Warum, warum?«
»Wissen Sie denn nicht, warum? Kommen Sie mich besuchen, meine Liebe.«
Der blonde Kopf wurde leicht geschüttelt.
»Das kann ich nicht.« Die Hand auf Miss Silvers Handgelenk wurde weggezogen.
Miss Silver sah sie an.
»Halten Sie sich an meinen Rat, verlieren Sie nicht den Boden unter den Füßen.«
Die Verkäuferin kam zurück.
»Das habe ich schon«, sagte Lisle Jerningham mit gebrochener Stimme.
    35

    Lisle saß still auf dem Beifahrersitz von Rafes kleinem Wagen. Als sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, blickte er sie von der Seite an und sagte:
    »Warum so bleich und matt, Zuckerpüppchen? Hat was nicht geklappt beim Einkaufen? Du hast mir gar nicht gesagt, was du kaufen wolltest.«
    Eine kurze Röte stieg in ihre Wangen, über die gerade sein Blick geglitten war – kam und ging.
»Ich habe einen Badeanzug gekauft. Meiner ist kaputtgegangen.«
Er sagte: »Ja, der ist kaputtgegangen.«
Sie sah, wie seine linke Hand das Lenkrad fester fasste. Die Knöchel schimmerten weiß unter der gebräunten Haut. Möglich, dass er an jene zwanzig Minuten zurückdachte, ebenso heiß wie der heutige Tag, in denen ihr Körper im zerrissenen Badeanzug kalt und reglos dalag, während er, Dale und ein Fremder sich bemühten, ihre Lungen wieder zum Atem zu bringen.
Plötzlich lachte er.
»Das war eine üble Sache. Und du willst wirklich wieder schwimmen gehen?«
»Ich werde den Boden nicht unter den Füßen verlieren.«
Sie spürte, wie ihre Wangen brannten und sagte schnell:
»Habe ich dich warten lassen? Das wollte ich nicht. Ich habe jemanden getroffen.«
»Ich auch. So geht es immer. Ich hoffe, du hast jemanden Amüsantes getroffen. Ich traf meine drittletzte Freundin, vielleicht auch die viertletzte oder noch mehr. Egal, da stand sie, schamlos rund und mit Zwillingen in einem Doppelkinderwagen. Ich muss sagen, ich erwarte von meinen Verflossenen eine gewisse Melancholie, wenn sie mir so plötzlich begegnen.«
Lisle musste lachen und erntete dafür einen vorwurfsvollen Blick.
»Stell dir vor, sie hat einen fetten Kerl geheiratet, der an der Börse arbeitet. Wie sagt doch Tennyson:
    ›Oh, meine Amy, mein nicht mehr! Oh, das karge, karge Moor! Oh, das trübe, trübe Meer! Soll ich Glück dir wünschen, da du mich gekannt und doch
niedrigeren Gefühlen folgst und erwählst ein engeres Herz als meines?‹«
    Lisles Augen tanzten.
»Vielleicht hatte sie Angst, dass dein Herz zu groß ist.
Sie hätte sich möglicherweise in der Masse verloren.« Er schüttelte den Kopf.
»Ich halte nichts von Massen. Ich bin sehr selektiv, so
wie die besten Radiogeräte. Immer nur ein Sender, keine
Überschneidungen, keine Hintergrundgeräusche, keine
Störungen – perfekter Empfang. Probieren Sie unseren
1939-Zehn-Röhren-Super-Hitzkopf und leben Sie
glücklich bis an Ihr Lebensende! Man sollte doch meinen,
das wäre ein Angebot. Aber nein, sie heiraten Metzger
oder Bäcker, und dann kriegen sie auch noch Zwillinge.« »Wie viele Frauen waren es wirklich, Rafe?«
»Ich habe vor Jahren aufgehört zu zählen. Ich bin immer auf der Suche nach dem Ideal, weißt du. Jedes Mal hoffe ich, es zu finden, aber nie gelingt es. Wenn eine Frau etwas hat, das mir gefällt, dann fehlt etwas anderes. Es ist sehr wahrscheinlich, dass ein perfekter Teint mit guter Durchblutung einhergeht, aber dass sie einen Kühlschrank hat, da wo bei anderen das Herz sitzt. Und wenn sie traumhaft tanzt, dann kann sie wieder nicht meine Stirn kühlen, wenn sie schmerzt. Ich habe nichts dagegen, mit einer hartherzigen Helena auszugehen, aber ich will verdammt sein, wenn ich mit einer lebe. Und das ist kein Fluch, sondern ein unumstößlicher Fakt, denn ich würde wahrscheinlich nachts aufstehen und ihr die Kehle
durchschneiden.«
Lisle schauderte und sagte: »Nicht!«
»Keine Angst, mein Schatz, dazu wird es nicht kommen.
Mein Problem ist, dass ich zu viel will: Schönheit,
Scharm, Freude und alle moralischen Tugenden. Und
wenn es so jemanden tatsächlich gibt, dann hat ein anderer
sie schon geheiratet.«
Lisle lachte

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