Das alte Haus am Meer
Zeit zurücklegen, wenn er rennt.
Und wenn Rafe Jerningham das getan hat, dann hätte er
rechtzeitig an der Stelle sein können, wo Cissie abstürzte,
und er hätte sie in die Tiefe stoßen können.«
»Und warum hätte er sie stoßen sollen, mein lieber
Randal?«
»Ich weiß es nicht. Das ist nur eines der verhexten
Details bei diesem Fall, die mich wahnsinnig machen.
Drohungen, Motiv, Gelegenheit, alles deutet auf Pell.
Dann kommen Sie mit einem Verdacht gegen Dale und
ich mit einem gegen Rafe. Wir können Ihre Geschichte
und die Abdrücke auf der Jacke nicht außer Acht lassen.
Egal, ob die Geschworenen es gelten lassen oder nicht, für
mich sind es Beweismittel, die ich nicht ignorieren kann.« »Haben Sie auch die Abdrücke von Rafe Jerningham auf
der Jacke gefunden?«, erkundigte sich Miss Silver. »Zwei sogar«, sagte March, »und zwar die deutlichsten
von allen. Und jetzt frage ich Sie, wo wohl?«
»Mein lieber Randal, das weiß ich wirklich nicht.« Er lachte kurz auf.
»Dann gibt es tatsächlich etwas, was Sie nicht wissen.
Ich werde es Ihnen sagen. Auf der rechten Schulter
befindet sich ein vollständiger Abdruck von Rafe
Jerninghams rechter Hand. Die Handfläche auf dem
Schulterblatt und die Finger auf dem Ärmel. Auf der
linken Seite ein ebenso deutlicher Abdruck der linken Hand in genau der gleichen Position. Wenn das nicht bedeutet, dass er hinter ihr stand und sie bei den Schultern packte, was bedeutet es dann? Und zu welchem Zweck sollte er das tun, außer um sie über die Klippen zu
stoßen?«
Miss Silver hatte die Hände auf ihrem Strickzeug
gefaltet.
»Das ist äußerst interessant«, sagte sie. »Aber haben Sie
irgendeine Idee, warum er sie über die Klippen stoßen
sollte?«
Die Röte stieg March ins Gesicht, deutlich sichtbar unter
seiner hellen Haut.
»Oh, Ideen habe ich schon. Was ich nicht habe, sind
Beweise. Vielleicht tauchen noch welche auf, vielleicht
auch nicht. Er könnte ein Dutzend Gründe haben, aber ich
denke, er hätte dasselbe Motiv wie sein Cousin. Sehen Sie
sich den Fall als Ganzes an. Man kann die Jerninghams
nicht voneinander getrennt sehen. Sie sind eine Einheit,
eine Familie. Immer wieder habe ich gehört, wie sehr sie
an ihrem Besitz hängen, der sich schon seit Jahrhunderten
in ihrer Familie befindet. Von Dale heißt es, er habe das
Vermögen seiner ersten Frau mit vollen Händen für
Renovierungsarbeiten ausgegeben. Er hat keinen
Verwalter und kümmert sich selbst um alles. Rafe gibt
sich mit einem mittelmäßig bezahlten Job beim hier
ansässigen Flugzeugkonstrukteur zufrieden, weil er
dadurch weiter hier wohnen kann. Er hat vor wenigen
Monaten eine wesentlich besser bezahlte Stelle in
Australien abgelehnt. Lady Steyne war zehn Jahre
verheiratet, ist nun Witwe und kehrt sofort hierher zurück.
Ihr Mann hatte ein Haus, das er ihr hinterließ, und ein
beträchtliches Vermögen obendrein, doch sie kommt
hierher zurück. Sie halten zusammen, diese Jerninghams,
und sie hängen an Tanfield. Und Tanfield droht ihnen zu entgleiten. Sobald ich die Abdrücke hatte, suchte ich den alten Superintendenten zu Hause auf. Er hat ein schlimmes Bein, aber reden kann er ja trotzdem. Er stammt aus Ledstock und kennt jeden in der Gegend. Von ihm weiß ich, dass die Jerninghams schon immer so waren. ›Halten zusammen wie Pech und Schwefel‹, das war sein Ausdruck. Wenn man sich mit einem anlegt, dann hat man alle gegen sich. Und was er mir noch sagte: finanziell sind sie am Ende. Die erste Mrs Jerningham war eine reiche Erbin, und sie hinterließ alles Dale. Was er nicht in das Schloss steckte, ging in der Zeit der Depression verloren. Viel ist nicht mehr übrig. Sie reden sehr offen über ihre Angelegenheiten, und die Tochter einer Cousine von Mrs Black hat in Schloss Tanfield gearbeitet. Der Verkauf von Land an die Flugzeugfirma und den Flugplatz hielt sie eine Weile über Wasser. Und vor sechs Monaten hat Dale erneut geheiratet – wieder eine reiche Erbin. Aber es heißt, das Geld sei fest angelegt und Dale müsse verkaufen. Ein Mann namens Tatham – Seifenhersteller oder etwas in der Art – ist interessiert. Und von Ihnen weiß ich, dass Mrs Jerningham kürzlich ein Testament zu Gunsten ihres Mannes gemacht hat. Wenn man die Jerninghams als eine Einheit betrachtet, hätte Rafe Jerningham dann etwa kein Motiv, die Frau seines Cousins über die Klippen zu stoßen, wenn er von dem Testament wusste? Und glauben Sie auch nur für einen Augenblick, dass er nichts davon wusste? Dazu kommt
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