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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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leiernden Stimmen waren noch schlimmer, denn die wenigsten Toten hatten noch einen richtigen Mund. Touchstone hatte nie einen Schiffsuntergang erlebt, doch jetzt wusste er, wie es klang, wenn tausend Seeleute gleichzeitig in einem stillen, abgrundtiefen Gewässer ertranken.
    Die Toten hatten sich nun der Stelle genähert, wo Touchstone stand. Sie bildeten eine große Masse bewegter Schatten, die sich wie ein würgender Pilzbelag um die Säulen ausbreitete. Touchstone konnte nicht erkennen, was sie taten, bis Mogget mit seinen Katzenaugen es wahrnahm und ihm erklärte.
    »Sie formieren sich zu zwei Reihen, um eine Art Korridor zu bilden«, flüsterte die Katze, obwohl es nicht mehr nötig war, leise zu sein. »Ein Korridor aus Totenhänden, der von der Nordtreppe bis zu uns reicht.«
    »Kannst du die Tür der Treppe sehen?«, fragte Touchstone. Er hatte keine Angst mehr, jetzt, da er die verwesenden, stinkenden Leichen in dieser grässlichen Verzerrung einer Militärparade sehen konnte. Ich hätte schon vor langem in diesem Reservoir sterben müssen, dachte er. Es hat eben nur einen Aufschub von zweihundert Jahren gegeben…
    »Ja, ich kann sie sehen«, antwortete Mogget mit einem Funkeln in den grünen Augen. »Eine große Bestie ist gekommen, in deren Fleisch schmutzige Flammen brodeln. Ein Mordicant. Er kauert im Wasser und blickt zurück, ergeben wie ein Hund. Dunst quillt hinter ihm die Treppe herunter – das ist ein Trick Freier Magie. Ich frage mich, warum er uns so beeindrucken will.«
    »Rogir war schon immer ein eitler Angeber«, murmelte Touchstone. »Er mochte es sehr, wenn alle ihn anschauten und bewunderten. Als Kerrigor und Toter ist er nicht anders.«
    »O doch«, widersprach Mogget, »ganz anders. Er weiß, dass du hier bist, und den Dunst hat er aus Eitelkeit erschaffen. Er muss sehr in Eile gewesen sein, als er den Körper schuf, den er jetzt trägt. Ein eitler Mann – nicht einmal ein Toter – kann unmöglich wollen, dass man diesen Körper anschaut.«
    Touchstone schluckte und versuchte, nicht darüber nachzudenken. Er fragte sich, ob er aus der Raute stürmen und Rogir in diesem Dunst mit den Degen angreifen könnte. Aber selbst wenn er bis zu ihm gelangte – würden seine Degen trotz allem Charterzauber dem magischen Fleisch, das Kerrigor jetzt trug, überhaupt etwas anhaben können?
    Etwas bewegte sich am hintersten Rand seines Sichtfeldes im Wasser. Die Hände klatschten schneller und das gurgelnde Leiern wurde lauter.
    Touchstone blinzelte, um sich zu vergewissern, dass er richtig gesehen hatte – Dunstschwaden flossen zwischen den Reihen der Toten träge übers Wasser, hielten sich in dem von ihnen frei gelassenen Korridor.
    »Er spielt mit uns!«, krächzte Touchstone und staunte selbst, dass er kaum noch genügend Atem zum Reden hatte. Ihm war, als wäre er bereits eine Meile gerannt, und sein Herz pochte heftig…
    Plötzlich stieg ein Furcht erregendes Heulen über dem trommelnden Klatschen der Toten auf, und Touchstone sprang so heftig rückwärts, dass Mogget beinahe von seiner Schulter gefallen wäre. Das Heulen wurde unerträglich schrill. Dann erschien eine riesige Gestalt aus dem Dunst und der Dunkelheit und stampfte, umgeben von gewaltiger Gischt, mit erschreckender Macht auf sie zu.
    Touchstone schrie auf, warf die Kerze von sich, zog seinen Degen und stieß die Klinge vorwärts. Geduckt wartete er auf den Angriff. Er hatte die Knie gebeugt, so dass ihm das Wasser jetzt bis zur Brust reichte.
    »Der Mordicant!«, jaulte Mogget und sprang von Touchstone zu Sabriel hinüber, die immer noch zu Eis erstarrt war.
    Touchstone hatte kaum Zeit, diese Information in sich aufzunehmen, denn fast gleichzeitig sah er das Bild eines ungeheuren, von Flammen umgebenen Bären, der heulte wie ein zu Tode gequälter Mensch. Dann prallte der Mordicant gegen die Schutzraute und Touchstones ausgestreckten Degen.
    Silberfunken explodierten mit einem Knall, der das Heulen übertönte, und schmetterten sowohl Touchstone wie den Mordicanten mehrere Schritt zurück. Touchstone rutschte aus und ging unter. Wasser blubberte in seine Nase und den immer noch weit aufgerissenen Mund. Er geriet in Panik, weil er glaubte, der Mordicant würde sogleich über ihn herfallen. Deshalb schnellte er sich mit großer Anstrengung hoch und spürte dabei schmerzhaft seine angespannten Bauchmuskeln.
    Fast wäre er aus dem Wasser geflogen, die Degen wieder en garde, doch die Raute war intakt, der Mordicant wich durch den

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