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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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ausdrucksvoll und sympathisch. Es wirkte verantwortungsbewusst, zeigte jedoch auch den erschrockenen Ausdruck eines Menschen, der verraten wurde und dies erst in diesem Augenblick erkennt. Auch Angst sprach aus dem Blick und ein Hauch von Hass. Sein Gesichtsausdruck beunruhigte Sabriel, denn er wirkte zu menschlich, als dass er nur das vollkommene Werk eines Holzbildhauers sein konnte, so talentiert dieser auch gewesen sein mochte.
    »Zu lebensecht«, murmelte Sabriel. Sie trat von der Galionsfigur zurück, und ihre Hand fiel zum Griff ihres Schwerts. Sie streckte ihre magischen Sinne aus, um nach einer Falle oder Täuschung zu suchen.
    Da war keine Falle, doch Sabriel spürte etwas in oder um die Galionsfigur herum. Es war wie das Gefühl, das von einem Toten Revenant ausging, und doch war es anders. Sabriel konnte es nicht deuten.
    Sie dachte darüber nach, während sie die Galionsfigur erneut betrachtete und von jeder Seite studierte. Der Körper des Mannes war für sie jetzt ein verstandesmäßiges Problem; deshalb konnte sie ihn ohne Verlegenheit studieren: seine Finger, die Fingernägel, die Haut seiner Hände. So bemerkte sie auch, mit welcher Vollkommenheit sie geschnitzt waren – so perfekt, dass sogar eine winzige Narbe erkennbar war, die durch Fechtübungen entstanden sein musste. Auch das kaum merkliche Zeichen eines von der Taufe herrührenden Chartersymbols auf seiner Stirn war schwach erkennbar sowie die bleiche Spur der Äderchen auf seinen Lidern.
    Nach dieser Begutachtung war Sabriel sicher, was sie entdeckt hatte, zögerte jedoch zu tun, was nun getan werden sollte, und suchte stattdessen nach Mogget. Nicht dass sie seinem Rat oder seiner Antwort große Bedeutung zugemessen hätte, schon gar nicht bei seinem derzeitigen, ziemlich dummen kätzischen Benehmen, obwohl es eine Reaktion auf seine Erfahrung als Wesen Freier Magie sein mochte – eine Erfahrung, die er seit einem Jahrtausend nicht mehr gehabt hatte. Vielleicht war die Katzengestalt eine Erleichterung für ihn.
    Tatsächlich konnte Sabriel sich von Mogget gar keinen Rat holen, denn sie fand ihn schlafend in einem Blumenfeld nahe der Quelle. Sein Schwanz und seine Pfötchen zuckten in einem Traum von tanzenden Mäusen. Sabriel betrachtete die strohgelben Blumen und roch an einer; dann kraulte sie Mogget hinter den Ohren und kehrte zu der Galionsfigur zurück. Die Blumen waren eine seltene Art von Katzenminze, was sowohl Moggets Benehmen wie seinen tiefen Schlaf erklärte. Sabriel würde ihre Entscheidung demnach allein treffen müssen.
    »Also«, sagte sie zu der Galionsfigur wie ein Anwalt vor Gericht. »Du bist das Opfer eines Zaubers Freier Magie und einer nekromantischen List. Dein Geist ruht weder im Leben noch im Tod, sondern irgendwo dazwischen. Ich könnte die Grenze zum Tod überqueren und würde dich gewiss ganz in der Nähe finden, da bin ich sicher. Doch ebenso könnte ich auf viele, viele Schwierigkeiten stoßen… Schwierigkeiten, die ich in meinem derzeitigen beklagenswerten Zustand nicht bewältigen kann. Also, was soll ich tun? Was würde Vater… Abhorsen… oder irgendein Abhorsen an meiner Stelle unternehmen?«
    Sabriel dachte eine Weile darüber nach, wobei sie hin und her stapfte. Ihre Schmerzen hatte sie für den Augenblick vergessen. Die letzte Frage führte ihr unmissverständlich ihre Pflicht vor Augen. Sabriel war sicher, dass ihr Vater den Mann befreien würde. Das war seine Aufgabe, dafür lebte er. Die Pflicht eines Abhorsen war, unnatürliche Nekromantie und Zauberei Freier Magie rückgängig zu machen.
    Weiter als bis zu diesem Punkt dachte Sabriel nicht, wahrscheinlich weil sie ein bisschen zu lange an der Katzenminze gerochen hatte. Sie bedachte nicht einmal, dass ihr Vater, wäre er jetzt an ihrer Stelle, bestimmt warten würde, bis er sich besser fühlte – vermutlich bis zum nächsten Tag. Schließlich musste dieser junge Mann bereits vor vielen Jahren in die Falle gegangen, sein Körper in Holz verwandelt und sein Geist irgendwie im Tod gefangen worden sein. Da würden ein paar Tage keinen Unterschied für ihn machen. Ein Abhorsen musste nicht sofort seine Pflicht erfüllen, nicht gleich, wenn er auf Unrecht aufmerksam geworden war…
    Doch zum ersten Mal, seit sie die Mauer überquert hatte, empfand Sabriel, dass sie dieses Problem schleunigst zu lösen hatte. Eine Ungerechtigkeit musste gutgemacht werden – eine Aufgabe, für die sie kaum mehr als ein paar Minuten direkt an der Grenze zum Tod

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