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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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brauchen würde.
    Einen Hauch Vorsicht wahrte sie jedoch. Sie holte Mogget und legte die schlafende Katze neben die Füße der Galionsfigur, in der Hoffnung, dass er erwachte, wenn irgendwelche körperliche Gefahr drohte – nicht dass dies bei all dem Bindezauber und den Hütern dieser Begräbnisstätte wahrscheinlich war. Es gab sogar Barrieren, die es erschweren würden, hinüber in den Tod zu steigen, und die es noch schwieriger machten, dass irgendetwas Totes ihr zurück ins Leben folgte. Alles in allem schien es ihr der perfekte Ort zu sein, eine Rettung durchzuführen.
    Wieder überprüfte Sabriel die Glocken. Sie fuhr mit den Händen über das glatte Holz der Griffe, spürte ihre Stimmen und wusste, wie bereitwillig sie auf ihre Benutzung warteten. Diesmal war es Ranna, die sie aus ihrer Lederhülle holte. Sie war die unauffälligste der Glocken, dazu bestimmt, Lauscher abzulenken, sie in den Schlaf zu lullen oder unaufmerksam zu machen.
    Neue Überlegungen tasteten wie zweifelnde Finger nach ihr, doch Sabriel beachtete sie nicht. Sie fühlte sich selbstsicher und bereit für das, was sie nur als kurzen Spaziergang in den Tod erachtete, denn angesichts der Schutzmaßnahmen dieser königlichen Nekropole hatte sie nichts zu befürchten. Mit dem Schwert in einer Hand und der Glocke in der anderen trat Sabriel hinüber in den Tod.
     
    Kälte schlug ihr entgegen und die heftige Strömung empfing sie. Sie blieb stehen, wo sie war, und spürte immer noch die Wärme des Lebens auf ihrem Rücken. Dies war die Grenzlinie zwischen den beiden Reichen, von wo aus sie üblicherweise vorwärts stürmte. Diesmal jedoch stemmte sie die Beine gegen den Strom und benutzte ihre anhaltende leichte Verbindung zum Leben als Anker, der sie hier festhalten würde.
    Vom gleichmäßigen Gurgeln des Wassers und von seinem Anbranden gegen das weit entfernte Erste Tor abgesehen, schien alles still zu sein. Nichts rührte sich; keine Gestalten irgendwelcher Art hoben sich vom grauen Licht ab. Vorsichtig nutzte Sabriel ihren Todessinn, um aufzuspüren, falls hier irgendetwas lauerte, und um den schwachen Funken des gefangenen, aber noch lebenden Geistes des jungen Mannes zu finden. Zurück im Leben war sie ihm körperlich nahe; deshalb konnte es sein, dass sie hier seinem Geist nahe war.
    Da war etwas, doch schien es sich tiefer im Tod zu befinden, als Sabriel erwartete. Sie bemühte sich, es zu sehen, und blinzelte in das eigenartige Grau, das es unmöglich machte, die Entfernung abzuschätzen. Sie vermochte nichts wahrzunehmen. Was immer dort war, es kauerte offenbar unter der Wasseroberfläche.
    Nach kurzem Zögern stapfte Sabriel mit größter Vorsicht darauf zu, um sicherzugehen, dass der Strom sie nicht mit sich riss. Sie konnte es ganz deutlich spüren – es musste der gefangene Geist sein. Sie beachtete die warnende Stimme tief in ihrem Innern nicht, die ihr sagte, dass es ein heimtückisches, gefährliches Totes Wesen sein musste, wenn es stark genug war, sich der Strömung zu widersetzen.
    Trotzdem, als sie nur noch ein paar Schritte davon entfernt war, ließ sie Rannas Stimme erklingen – ein gedämpfter, müder Laut, der an ein Gähnen erinnerte, an ein Seufzen, an einen Kopf mit schweren Augen, der nach vorn sank – es war eine Aufforderung zu schlafen.
    Falls sich dort etwas Totes befand, folgerte Sabriel, würde es nun ruhen, von Ranna in Schlaf versetzt. Sabriel steckte Schwert und Glocke ein, stapfte voran, bis sie einen guten Stand hatte, und langte ins Wasser.
    Ihre Hände berührten etwas, das so hart und kalt war wie Eis und von dem sie nicht wusste, was es war. Sie zuckte zurück; dann griff sie wieder ins Wasser, bis sie nach etwas fasste, das sich wie eine menschliche Schulter anfühlte. Sie ertastete nun auch den Kopf und fuhr die Gesichtszüge nach. Manchmal besaß ein Geist wenig Ähnlichkeit mit dem Körper, und manchmal verformten sich Lebende Geister, wenn sie zu lange im Tod harrten, doch dieser hier war deutlich das Gegenstück der Galionsfigur. Er lebte auch, irgendwie so eingeschlossen und geschützt vor dem Tod, wie der lebende Körper im Holz erhalten wurde.
    Sabriel fasste die Geistform unter den Armen und zog sie mit einiger Mühe aus dem Wasser, bis sie sich aus den Fluten hob wie ein Killerwal, blass weiß und starr wie eine Statue. Sabriel taumelte rückwärts, und der stets gierige Fluss hüllte ihre Beine in hungrige Wirbel ein – doch sie fing sich, ehe er sie hinunterziehen konnte.
    Sie

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