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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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reisen: als Euer Schwertkämpfer, Euer Schutz und Schild. Sonst würden die Leute annehmen, wir hätten eine unerlaubte Liebesbeziehung. In einem solchen Fall würde Euer Name, mit meinem verbunden, Euch in den Augen der meisten herabsetzen. Versteht Ihr?«
    »Äh… ja«, erwiderte Sabriel und spürte, wie sie vor Verlegenheit von den Wangen bis zum Hals errötete. Sie fühlte sich an eine der schlimmsten Zurechtweisungen in Miss Priontes Anstandsunterricht erinnert. Sie hatte nicht im Geringsten daran gedacht, welchen Eindruck es erwecken musste, dass sie zusammen reisten. Gewiss, in Ancelstierre wäre so etwas beschämend und ungehörig gewesen. Doch dies hier war das Alte Königreich, und sie hatte angenommen, die Dinge lägen hier anders. Nun, wie es aussah, gab es wohl doch die ein oder andere Gemeinsamkeit in beiden Welten.
    »Lektion zweihundertundsieben«, murmelte Mogget zu Sabriels Füßen. »Drei von zehn. Ich frage mich, ob sie frisch gefangenen Wittling haben. Ich hätte gerne einen kleinen, der noch zappelt…«
    »Sei still!«, unterbrach Sabriel ihn. »Du solltest wenigstens so tun, als wärst du eine ganz normale Katze.«
    »Wie Mylady wünschen«, entgegnete Mogget und tänzelte davon, um sich neben Touchstone zu setzen.
    Sabriel wollte ihn gerade scharf zurechtweisen, als sie sah, dass Touchstones Mundwinkel kaum merklich zuckten. Sie mochte es kaum glauben, doch Touchstone grinste tatsächlich. Verwundert verdrängte sie den Tadel, der ihr auf der Zunge lag, und vergaß ihn dann völlig, als die vier Bogenschützen eine Planke über die Kluft hoben, deren Ende krachend auf dem Stein aufschlug.
    »Bitte kommt rasch herüber«, forderte der Älteste sie auf, während die Männer die Planke festhielten. »Es sind viele gefährliche Kreaturen im Dorf und ich fürchte, der Tag geht schnell zur Neige.«
    Wie zur Bestätigung fiel Wolkenschatten über sie, und der frische Duft von Regen vermischte sich mit dem nassen, salzigen Geruch des Meeres. Ohne weitere Aufforderung rannte Sabriel über die Planke, gefolgt von Mogget und Touchstone.

     

17
    Sämtliche Überlebenden Nestowes hatten sich im größten der Räucherschuppen versammelt; nur die vier Bogenschützen fehlten, denn sie bewachten den Wellenbrecher. Noch in der Vorwoche hatte es hundertsechsundzwanzig Dorfbewohner gegeben – jetzt waren es nur noch einunddreißig.
    »Bis heute Morgen zählten wir noch zweiunddreißig«, sagte der Älteste zu Sabriel, als er ihr einen Becher Wein und ein Stück Dörrfisch auf sehr hartem, altbackenem Brot reichte. »Wir hielten uns auf der Insel für sicher, doch Stowarts Junge wurde kurz nach dem Morgengrauen gefunden, leer wie eine Hülle. Als wir ihn berührten, fühlte er sich an wie… wie verbranntes Papier, das seine Form bewahrt hat, dann jedoch in Flocken zerbröckelt wie Asche.«
    Sabriel schaute sich um, als der Greis sprach, und bemerkte die vielen Laternen, Kerzen und Binsenfackeln, die zu dem rauchigen Fischgeruch im Schuppen beitrugen. Die Überlebenden waren eine sehr gemischte Gruppe – Männer, Frauen und Kinder –, von sehr jung bis steinalt. Nur eines hatten sie alle gemein: die Furcht, die sich in ihren verhärmten Gesichtern und den hektischen, abgehackten Bewegungen zeigte.
    »Wir vermuten, dass einer von ihnen hier ist«, sagte eine Frau. Ihre Stimme verriet, dass ihre Furcht bereits der Schicksalsergebenheit gewichen war. Sie war offenbar ohne Angehörige. Sabriel schloss daraus, dass sie ihre Familie verloren hatte, ihren Mann, ihre Kinder – vielleicht auch ihre Eltern und Geschwister, denn sie war noch keine vierzig.
    »Es wird uns aussaugen, einen nach dem anderen«, fügte die Frau scheinbar gleichmütig und doch mit schrecklicher Überzeugung hinzu. Die Leute um sie herum rutschten nervös auf ihren Sitzen und wagten nicht, sie anzuschauen, als würde selbst der kürzeste Blickkontakt sie ebenfalls näher an den Abgrund des Bösen bringen.
    Die meisten schauten zu Sabriel, und sie gewahrte einen Schimmer Hoffnung in den Augen dieser verzweifelten Menschen. Es war kein blindes Vertrauen oder gar Überzeugung, sondern eher die Hoffnung eines Spielers, der nach schweren Verlusten auf ein neues Pferd setzt.
    »Der Abhorsen, der kam, als ich jung war«, fuhr der Greis fort – und Sabriel war klar, dass dies in seinem Alter nur die Erinnerung an eine sehr lange zurückliegende Zeit sein konnte –, »erzählte, dass es seine Aufgabe sei, die Toten zu binden. Er rettete uns vor

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