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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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beschützen möge.«

     

19
    Sabriel hatte erwartet, Belisaere als Ruinenstadt vorzufinden, ganz ohne Leben, doch dem war nicht so. Als die Türme und die wahrhaft beeindruckende Mauer um die Halbinsel in Sicht kam, auf der die Stadt sich erhob, sahen sie Fischerboote von der Größe ihres eigenen. Fischer, die ihnen im Vorüberrudern freundlich zuwinkten und zuriefen, hatten ihre Netze ausgeworfen. Nur die Worte zur Begrüßung verrieten ihnen, wie die Dinge in Belisaere standen, denn »Gute Sonne und schnelles Wasser« war nicht der typische Gruß zu Touchstones Zeit gewesen.
    Der Haupthafen der Stadt wurde vom Westen erreicht. Eine breite, mit Bojen markierte Fahrrinne führte zwischen zwei mächtigen Vorwerken zu einem riesigen Wasserbecken, bestimmt so groß wie zwanzig oder dreißig Sportplätze. Kaianlagen schlossen drei Seiten des Beckens ein, doch die meisten waren verlassen. Im Norden und Süden verrotteten Lagerhäuser hinter den leeren Anlegestegen. Die verfallenden Wände und löchrigen Dächer deuteten darauf hin, dass sie schon lange nicht mehr benutzt wurden.
    Nur in den östlichen Docks herrschte Betrieb. Zwar gab es keine der mächtigen Kauffahrer vergangener Zeiten mehr, doch viele kleine Küstenschiffe wurden dort gelöscht oder beladen. Kräne hoben und senkten Lasten; Schauerleute schleppten Säcke über die Laufplanken; Kinder tauchten und schwammen zwischen den Schiffen. Hinter den Piers standen keine Lagerschuppen, sondern Hunderte nicht überdachter Kaufbuden, nicht viel mehr als eine bunt dekorierte Rahmenkonstruktion mit Tischen für die Waren und Hocker für den Verkäufer und bevorzugte Kunden. An Kunden schien es keinen Mangel zu geben, wie Sabriel feststellte, während Touchstone zu einem freien Anlegeplatz steuerte. Leute drängten sich überall und eilten geschäftig dahin, als wäre ihre Zeit knapp bemessen.
    Touchstone lockerte die Großschot und brachte das Boot in den Wind, so dass sie den Pier in einem schiefen Winkel ansegeln konnten. Sabriel warf ein Tau empor, doch ehe sie hinaufspringen und es am Poller sichern konnte, nahm ein Straßenjunge ihr die Arbeit ab.
    »Penny für den Knoten«, rief er mit so schriller Stimme, dass er über den Lärm hinweg zu hören war. »Penny für den Knoten, Lady?«
    Sabriel lächelte und warf dem Jungen einen Silberpenny zu. Er fing ihn geschickt, grinste und verschwand in der Menschenmenge. Sabriels Lächeln schwand. Sie spürte sehr viele Tote hier – oder vielmehr nicht genau hier, sondern weiter oben in der Stadt. Belisaere war auf vier niedrigen Hügeln erbaut, die ein zentrales, zum Hafen und Meer offenes Tal umgaben. Soweit ihre Sinne es ihr sagen konnten, war nur das Tal frei von Toten – weshalb, wusste sie nicht. Die Hügel jedoch, die wenigstens zwei Drittel des Stadtgebiets ausmachten, wurden von ihnen heimgesucht.
    Doch dieser Stadtteil hier strotzte vor Leben. Sabriel hatte vergessen, wie schmerzhaft laut es in einer Stadt zugehen konnte. Selbst in Ancelstierre hatte sie selten eine größere Stadt besucht als Bain mit seinen nur etwa zehntausend Bewohnern.
    Nach ancelstierrischen Maßstäben war Belisaere nicht einmal eine große Stadt; sie hatte auch nicht die lauten Omnibusse und Privatwagen, die seit etwa zehn Jahren zu dem Krach in Ancelstierre beitrugen, doch das machte Belisaere mit seinen Menschenmassen wett. Die Leute eilten dahin, stritten sich, schrien, verkauften, kauften, sangen…
    »War es früher schon so?«, brüllte sie Touchstone zu, während sie auf den Pier kletterten und sich vergewisserten, dass sie ihre gesamte Habe bei sich hatten.
    »Eigentlich nicht«, erwiderte Touchstone. »Das Hafenbecken war üblicherweise voll von größeren Schiffen und es gab Lagerhäuser hier, keinen Markt. Es war auch ruhiger und die Leute bewegten sich bedächtiger.«
    Sie standen am Rand des Piers, beobachteten den Strom von Menschen und Waren, hörten den Tumult und wurden der vielen neuen Gerüche der Stadt gewahr, die stärker waren als die frische Meeresbrise. Es roch nach garenden Speisen, Holzrauch, Räucherwerk und Öl; hin und wieder nahm auch der Gestank aus der Kanalisation zu.
    »Es war damals auch viel sauberer«, fügte Touchstone hinzu. »Ich glaube, wir sollten uns ein Gasthaus oder eine Herberge suchen – irgendetwas, wo wir übernachten können.«
    »Ja«, erwiderte Sabriel. Sie scheute davor zurück, in die Menschenflut zu tauchen. Es waren keine Toten darunter, soweit sie es spüren konnte, aber die

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