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Das alte Königreich 01 - Sabriel

Titel: Das alte Königreich 01 - Sabriel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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die Sinne zu rauben, doch ein stechender Schmerz am Hals ließ sie innehalten. Mogget, der um ihre Schultern lag, hatte ihr die Krallen dicht unter dem Kinn eingeschlagen. Blut rann in einer dünnen Linie den Hals hinunter, als er ihr ins Ohr zischte:
    »Warte! Es sind neun Beutejäger, sechs Wachen und noch weitere Soldaten in der Nähe. Was nützt es diesen Kindern und allen anderen, die noch folgen werden, wenn du umgebracht wirst? Die Toten sind die Wurzel dieses Übels, und Abhorsens Aufgabe besteht darin, sich mit ihnen zu befassen!«
    Sabriel blieb zitternd stehen. Tränen der Wut stiegen in ihr auf. Doch sie griff nicht an, beobachtete stattdessen die Kinder. Sie schienen sich mit ihrem Schicksal abgefunden und jede Hoffnung aufgegeben zu haben. Demütig und still warteten sie mit gesenktem Kopf, bis die Beutejäger die Peitsche wieder über ihnen schwangen und sie auf den Torbogen zutrieben.
    Bald waren sie hindurch und wurden die verlassene Straße hinaufgescheucht. Die Sonne schien hell auf das Kopfsteinpflaster und spiegelte sich auf Rüstungen und Waffen – und flüchtig auf dem Blondschopf eines kleinen Jungen. Dann bogen sie nach rechts ab und nahmen den Weg zum Prägerberg.
    Sabriel, Touchstone und Mogget folgten zehn Minuten später, nachdem sie mit den Wachen verhandelt hatten. Zuerst wollte deren Offizier, ein kräftiger Mann in schmutzstarrendem Kürass, ihre »Beutejäger-Lizenz« sehen, doch sie erkannten rasch, dass dies lediglich ein Vorwand war, um mit dem Feilschen zu beginnen. Bestechung schien hier an der Tagesordnung zu sein. Sie einigten sich schließlich auf einen Preis von drei Silberpennys pro Kopf für Sabriel und Touchstone. Die Katze durfte für einen Silberpenny passieren, eine merkwürdige Summe, wie Sabriel fand, aber sie war froh, dass Mogget das Schnäuzchen hielt und nicht damit herausplatzte, dass man ihn unterbewertete.
    Jenseits des Aquädukts und der beruhigenden Barriere des fließenden Wassers spürte Sabriel sogleich die Anwesenheit der Toten. Sie befanden sich überall ringsum, in den zerfallenden Häusern, in Kellern und der Kanalisation; sie lauerten dort, wo sie dem Licht nicht ausgesetzt waren. Während die Sonne schien, warteten sie auf die Dunkelheit der Nacht.
    In gewisser Weise waren die Toten von Belisaere den Beutejägern ähnlich. Tagsüber verkrochen sie sich und des Nachts nahmen sie sich, was sie kriegen konnten. Es gab sehr, sehr viele Tote in Belisaere, doch sie waren schwach, feige und neidisch. Ihr Appetit war ungeheuer, der Nachschub an Opfern allerdings äußerst beschränkt. Jeden Morgen verloren Dutzende den Halt am kläglichen Rest ihres Lebens und fielen in den endgültigen Tod. Doch ständig kamen weitere nach…
    »Es gibt hier Tausende von Toten«, erklärte Sabriel und blickte von Seite zu Seite. »Sie sind zum größten Teil schwach – aber es sind viele!«
    »Gehen wir direkt zum Reservoir?«, fragte Touchstone. Sabriel spürte hinter seinen Worten die unausgesprochene Frage: Sollten sie – konnten sie – zuerst die Kinder retten?
    Sie blickte zum Himmel und zur Sonne, ehe sie antwortete. Sie würden etwa vier Stunden helles Sonnenlicht haben, falls keine Wolken aufkamen. Nicht sehr viel Zeit. Angenommen, sie schafften es, die Beutejäger zu überwältigen – konnten sie dann bis morgen warten, um ihren Vater zu suchen? Ohne ihn vermochten sie gegen Kerrigor nichts auszurichten – und Kerrigor musste besiegt werden, wollten sie die Großen Chartern in Stand setzen und dadurch die Toten im gesamten Königreich binden…
    »Wir gehen direkt zum Reservoir«, bestimmte Sabriel und bemühte sich, den Gedanken an die Kinder, an den Sonnenstrahl auf dem Kopf des Blondschopfes, an die Ketten und Peitschen zu verdrängen…
    »Vielleicht – vielleicht können wir die Kinder auf dem Rückweg retten.«
    Touchstone führte sie ohne Zögern weiter. Sie hielten sich in der Straßenmitte. Fast eine Stunde lang schritten sie im gleißenden Licht der Sonne durch leere, verlassene Straßen, in denen der einzige Laut das Klacken ihrer Nagelstiefel auf dem Kopfsteinpflaster war. Hier gab es keine Vögel oder anderen Tiere, nicht einmal Insekten. Nur Zerfall.
    Schließlich erreichten sie den Eisenzaun eines Parks am Fuß des Palasthügels. Auf der Kuppe zeugte nur noch die ausgebrannte Ruine aus Stein und Holz davon, dass hier einst das Königsschloss gestanden hatte.
    »Der letzte Regent hat es in Brand gesteckt«, erklärte Mogget, als alle drei

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