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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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wie wir sie befürchten? Und dazu kann es nur kommen, wenn diese armen, schutzlosen Flüchtlinge umgebracht werden. Unsere Leute sind zu gut geschützt. Ganz abgesehen davon, dass es im ganzen Königreich keinen Ort gibt, an dem sich zweihunderttausend Menschen aufhalten. Und wenn, dann ganz bestimmt nicht, ohne dass jemand mit Charterzeichen darunter wäre.«
    »Ich weiß nicht, was es sonst sein könnte«, entgegnete Sam bedrückt. »Ich wünschte, ihr würdet hier bleiben.«
    »Abhorsen zu sein ist eine schwere Verantwortung«, sagte Sabriel leise. »Ich kann verstehen, dass du sie nicht gern auf dich nehmen möchtest, nicht einmal, wenn ich sie mit dir teile. Aber es ist unser Los, Sam. Wählt der Schreitende den Pfad oder der Pfad den Schreitenden? Ich bin sicher, dass du deine Sache sehr gut machen wirst und wir bald alle wieder beisammen sind und uns über angenehmere Dinge unterhalten.«
    »Wann brecht ihr auf?« Sam konnte die Hoffnung, dass sie es aufschieben würden, nicht aus seiner Stimme fern halten. Vielleicht wäre er morgen im Stande, mit Sabriel zu reden und sie zu bitten, ihm zur Seite zu stehen, wenn er das
Buch der Toten
öffnete. Möglicherweise könnte das seine lähmende Furcht vertreiben.
    »Im Morgengrauen«, antwortete Sabriel zögerlich. »Vorausgesetzt, mein Bein ist bis dahin gut genug verheilt. Dein Vater wird mit den Botschaftsangehörigen zu den Nördlichen Barbaren reiten, und ich fliege nach Westen. Aber ich werde mich beeilen und ihn morgen Abend abholen. Dann fliegen wir nach Süden zum Haus und werden versuchen, uns mit Mogget zu besprechen. Anschließend geht es weiter nach Barhedrin und zur Mauer. Vielleicht können wir dabei auch mögliche Spione verwirren, die uns beobachten.«
    »Wir würden wirklich gern länger bleiben«, warf Touchstone ein und blickte traurig auf seine kleine Familie, die so selten beisammen war. »Aber wie immer ruft die Pflicht, und wir müssen ihr folgen.«

     

26
    EIN BRIEF VON NICHOLAS
     
    Sam verließ das Reservoir an diesem Abend mit einer leeren Weinkanne, einem Bandelier mit Glocken, einem schweren Herzen und düsteren Gedanken, die sich nicht verdrängen ließen. Ellimere war an seiner Seite. Sabriel wollte die Nacht in dem Steinkreis verbringen, damit ihre Heilung voranschreite. Touchstone blieb bei ihr.
    Sam und Ellimere verstanden, dass ihre Eltern allein sein wollten. Vielleicht, um über die Unzulänglichkeiten ihres Sohnes zu sprechen, dachte Sam, während er müde die Treppe hinaufstieg, mit dem Glockenpaket in der Hand.
    Vor ihren Gemächern wünschte Ellimere ihm beinahe freundlich eine gute Nacht, doch Sam ging nicht zu Bett. Stattdessen stieg er die Wendeltreppe zu seiner Turmwerkstatt hinauf und sagte das Wort, das die Charterlichter erstrahlen ließ. Dann legte er die Glocken in ein anderes Schränkchen als das, in dem er das Buch aufbewahrte. Damit waren sie zwar außer Sicht, aber nicht aus seinem Gedächtnis. Anschließend nahm er halbherzig seine Arbeit an einem sechs Zoll großen Cricketschlagmann wieder auf, der teils zum Aufziehen war, teils durch Chartermagie belebt wurde. Vielleicht würde er irgendwann zwei komplette Mannschaften anfertigen und sie gegeneinander spielen lassen, doch weder der Aufzugsmechanismus noch die Magie funktionierten zu seiner Zufriedenheit.
    Jemand klopfte an die Tür. Sam ignorierte es. Wenn es ein Diener war, würde er rufen oder davongehen. War es Ellimere, würde sie ohnehin einfach ins Zimmer stürmen.
    Es klopfte noch einmal, und ein gedämpfter Ruf war zu hören. Dann vernahm Sam, wie etwas unter der Tür hindurchgeschoben wurde, gefolgt von Schritten, die sich die Treppe hinunter verloren. Sam öffnete und entdeckte ein flaches Silbertablett vor der Tür, auf dem ein zerfledderter Brief lag. Seinem Zustand nach zu urteilen, musste er aus Ancelstierre stammen – und das bedeutete, dass er von Nicholas kam.
    Sam seufzte, schlüpfte in seine weißen Baumwollhandschuhe und griff nach einer Pinzette. Wie immer war der Empfang eines Briefes von Nick mehr eine forensische Untersuchung als ein Lesevergnügen. Er nahm das Tablett, ging damit zu seinem Werktisch, wo die Charterzeichen am hellsten waren, und begann mit der mühsamen Wiederherstellung des Briefes.
    Eine halbe Stunde später, als die Uhr vom Grauen Tor Mitternacht schlug, hatte Sam Nicks Nachricht wie ein Puzzle so weit zusammengefügt, dass sie einigermaßen lesbar war. Er beugte sich darüber, und sein Gesicht wurde finsterer, je

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