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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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einmal einzuprägen, hauptsächlich aber, um den Schritt in den Tod noch für kurze Zeit zu verzögern.
    »Die erste und kleinste Flöte ist Ranna«, zitierte Lirael auswendig aus der entsprechenden Seite im
Buch des Erinnerns und Vergessens.
»Ranna, die Schlummerschenkerin, wiegt alle, die sie hören, in Schlaf.
    Die zweite ist Mosrael, die Weckerin. Eine der gefährlichsten Glocken in jeder Form. Ihr Klang ist wie eine Wippe, die den, der sie betätigt, weiter in den Tod wirft und den, der ihrem Klang lauscht, ins Leben zieht.
    Die dritte ist Kibeth, die Schreiterin. Kibeth gewährt den Toten die Freiheit, sich zu bewegen, zwingt ihnen jedoch den Willen des Flötenspielers auf, nach seiner Pfeife zu schreiten. Doch Kibeth ist launisch und kann auch den, der sie bläst, dorthin schreiten lassen, wohin er gar nicht will.
    Die vierte ist Dyrim, die Schweigengebietende und melodisch Sprechende. Sie vermag den Toten, die ihre Zunge verloren haben, Sprache zu geben oder vergessenen Worten wieder ihre Bedeutung zu verleihen. Dyrim kann einer zu redseligen Zunge die Sprache rauben.
    Die fünfte ist Belgaer, die Erinnerungbringende, die Denkerin, die unabhängiges Denken wiedergeben kann und die Erinnerung an alles, was einst im Leben war. In einer unachtsamen Hand jedoch kann sie jede Erinnerung löschen. Belgaer ist mit Vorsicht zu behandeln, denn sie versucht stets, von sich aus zu ertönen.
    Die sechste ist Saraneth, die Fesslerin. Sie spricht mit dem tiefen Klang der Macht und fesselt die Toten nach dem Willen dessen, der sie betätigt.«
    Lirael machte eine Pause, ehe sie den Namen der siebten und letzten Flöte nannte, der längsten, deren silberne Oberfläche für den, der sie berührte, stets eisig und erschreckend war.
    »Astarael, die Klagende«, flüsterte Lirael. »Wenn sie richtig betätigt wird, jagt sie alle tief in den Tod. Doch auch den, der sie benutzt. Bediene dich Astaraels nur, wenn alles verloren ist.«
    »Schlummerschenkerin, Weckerin, Schreiterin, Schweigengebieterin, Erinnerungsbringerin, Fesslerin und Klagende«, zählte die Hündin auf, als sie eine Pause beim Ohrenkratzen machte. »Nun ja, die Glocken wären besser. Diese Flöten sind eigentlich nur zum Üben für Kinder, und…«
    »Psst«, wies Lirael sie zurecht. »Ich muss mich konzentrieren.« Sie fragte die Hündin nicht, wie sie sich die Namen der Flöten so schnell gemerkt hatte. Wahrscheinlich hatte die Hündin das
Buch des Erinnerns und Vergessens
gelesen, als Lireal schlief.
    Schließlich zog Lirael ihr Schwert und blickte wieder auf die Charterzeichen entlang der silbernen Klinge. Erst jetzt bemerkte sie, dass sie eine Inschrift bildeten. Sie hielt die Klinge ans Licht und las die Worte laut:
    »Die Clayr Sahen mich, die Mauermacher erschufen mich, für meine Feinde bin ich unvergesslich.«
    »Ein Zwillingsschwert von Binder«, bemerkte die Hündin und stupste interessiert mit der Nase darauf. »Ich wusste gar nichts davon. Wie heißt es denn?«
    Lirael drehte die Klinge, um zu sehen, ob auf der anderen Seite etwas stand, doch noch während sie die Klinge drehte, veränderte sich die Inschrift, und die Lettern schimmerten in einer neuen Anordnung.
    »›Nehima‹«, las Lirael. »Was bedeutet das?«
    »Es ist ein Name«, antwortete die Hündin. Als sie Liraels ungeduldige Miene bemerkte, legte sie den Kopf schief und fuhr fort: »Man könnte sagen, seine Bedeutung ist ›Vergiss-mich-nicht‹. Es liegt allerdings eine gewisse Ironie darin, dass Nehima
selbst
längst vergessen wurde. Immerhin – besser ein Schwert als ein Grabstein. Es ist jedenfalls ein beachtliches Erbstück«, fügte die Hündin hinzu. »Ich kann nur staunen, dass sie es dir gegeben haben.«
    Lirael nickte, weil sie kein Wort hervorbrachte. Ihre Gedanken wanderten wieder zum Gletscher und zu den Clayr zurück. Ryelle und Sanar hatten ihr das Schwert beinahe gleichmütig ausgehändigt, dabei war es vermutlich einer der größten Schätze der Clayr.
    Schließlich blinzelte Lirael eine heimliche Träne fort und konzentrierte sich wieder auf das, was sie dem
Buch des Erinnerns und Vergessens
zufolge tun musste. Offenbar sollte sie den Tod fühlen und dann sozusagen nach ihm greifen. Das war zwar überall möglich, doch es war einfacher dort, wo viele Menschen das Zeitliche gesegnet oder die letzte Ruhestätte gefunden hatten.
    Lirael schloss die Augen, um sich noch besser konzentrieren zu können. Sie konnte den Tod jetzt wie einen kalten Umschlag auf dem Gesicht

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