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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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wollte sie nicht darüber reden.
    »Du bist meine Familie«, sagte Lirael rasch und umarmte die Hündin kurz. Dann starrte sie voraus auf das schimmernde Wasser des Ratterlins. Die Hündin war tatsächlich ihre ganze Familie, nicht die Clayr, unter denen sie ihr bisheriges Leben verbracht hatte. Die Clayr hatten ihr deutlich gemacht, dass sie nie eine der ihren sein würde.

     

37
    EIN BAD IM FLUSS
     
    Lirael befolgte Sanars und Ryelles Rat und verbrachte ihre erste Nacht auf dem verankerten Schiff, fern des Gletschers auf der windabgewandten Seite einer langen, schmalen Insel in der Mitte des Ratterlins.
    Im Morgengrauen, nach einem Frühstück bestehend aus Haferflocken, einem Apfel, einem Stück zähen Zimtkuchens und klarem Flusswasser, holte Lirael den Anker ein und pfiff der Hündin. Sie kam von der Insel herbeigeschwommen, auf der sie ihre angestammte Pflicht gegenüber anderen Hunden geleistet hatte, die vielleicht irgendwann einmal hier vorbeikamen.
    Sie hatten gerade das Segel gesetzt, als die Hündin steifbeinig über den Bug deutete und warnend jaulte.
    Lirael duckte den Kopf, damit sie unter dem Baum hindurch sehen konnte, und spähte in die Richtung, in welche die Hündin mit einer Vorderpfote deutete. In ungefähr dreihundert Metern Entfernung konnte sie stromabwärts ein Objekt ausmachen. Zuerst konnte sie nicht erkennen, worum es sich dabei handelte – irgendetwas Metallisches, auf dem sich die Morgensonne spiegelte, trieb auf dem Wasser. Als sie das Ding schließlich erkannte, betrachtete sie es eingehender.
    »Das sieht aus wie eine Zinkbadewanne«, murmelte sie ungläubig, »mit einem Mann darin.«
    »Es
ist
eine Badewanne«, bestätigte die Hündin. »Und es
ist
ein Mann. Da ist auch noch etwas anderes – leg am besten einen Pfeil auf die Sehne, Herrin.«
    »Er sieht bewusstlos aus. Oder er ist tot«, murmelte Lirael, verließ das Steuerruder, holte den Bogen und spannte ihn. Dann lockerte sie Nehima in ihrer Scheide und zog einen Pfeil aus dem Köcher.
    Finderin ließ offenbar ebenfalls Vorsicht walten, denn sie bog von dem direkten Kurs auf die seltsame Badewanne ab, die viel langsamer vorankam als das Schiff, da sie nur von der Strömung getrieben wurde. Durch den schrägen Windeinfall war
Finderin
viel schneller. Sie könnte einen Bogen um die Wanne fahren und weitersegeln.
    Lirael wäre es recht gewesen. Sie wollte nicht eher mit Fremden zu tun haben als unbedingt nötig. Andererseits würde sie sich bald mit Fremden beschäftigen
müssen;
außerdem schien dieser Mann tatsächlich in Schwierigkeiten zu sein. Gewiss war er nicht aus freiem Willen in einer Badewanne unterwegs auf dem Ratterlin.
    Lirael runzelte die Stirn und zog das Kopftuch tiefer herunter, damit es ihr Gesicht beschattete. Als sie noch etwa fünfzig Meter entfernt waren und die Wanne bald passieren würden, legte sie den Pfeil an, schoss aber noch nicht. Der Mann bemerkte anscheinend gar nicht, dass
Finderin
sich näherte. Er lag auf dem Rücken; beide Arme hingen schlaff über die Seiten der Wanne. Lirael konnte den Knauf eines Schwerts sehen, und irgendetwas lag quer über der Brust des Fremden…
    »Glocken! Ein Nekromant!«, rief Lirael und spannte den Bogen. Er sah nicht aus wie Hedge, doch jeder Nekromant war gefährlich. Ihn mit einem Pfeil zu durchbohren war nur Selbstschutz. Im Unterschied zu ihren Toten Dienern hatten Nekromanten keine Schwierigkeiten mit fließendem Wasser. Dieser hier tat wahrscheinlich nur, als wäre er verletzt, um sie in eine Falle zu locken.
    Sie wollte den Pfeil gerade abschießen, als die Hündin plötzlich rief: »Warte! Er riecht nicht wie ein Nekromant!«
    Überrascht zuckte Lirael zusammen, ließ los – und der Pfeil sirrte durch die Luft und zischte nur etwa einen Fuß über den Kopf des Mannes hinweg. Hätte er sich aufgesetzt, wäre der Pfeil durch seine Kehle oder ein Auge gedrungen – mit tödlichen Folgen.
    Als der Pfeil irgendwo hinter der Wanne ins Wasser tauchte, kam eine kleine weiße Katze unter den Beinen des Mannes hervor, kletterte auf seine Brust und gähnte.
    Dies hatte augenblicklich zur Folge, dass die Hündin wild bellte und ins Wasser springen wollte. Lirael gelang es gerade noch, ihren Bogen fallen zu lassen und die Hündin am Schwanz zu packen, was sich als gar nicht so einfach erwies. Ob es sich wirklich um freudige Begeisterung handelte oder um Aufregung bei dem Gedanken, eine Katze zu jagen, wusste Lirael nicht.
    Jedenfalls weckte das Gebell den Mann in

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